Grundsätzlich kein Abschiebungsschutz bei Existenzsicherung für absehbare Zeit nach der Rückkehr
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Omar Sayami / stock.adobe.com
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Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer genießt keinen Abschiebungsschutz, wenn er nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen. Nicht entscheidend für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes anzustellende Gefahrenprognose ist, ob sein Existenzminimum im Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.04.2022 entschieden (Az.: 1 C 10.21).

VGH: Abschiebungsschutz mangels langfristiger Existenzsicherung

Der 1998 geborene Kläger ist afghanischer Asylantragsteller. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hatte die Bundesrepublik dazu verpflichtet, in Bezug auf den Kläger ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK festzustellen (BeckRS 2020, 40584). Aufgrund der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge der COVID-19-Pandemie sei es auch leistungsfähigen, alleinstehenden erwachsenen Rückkehrern aus dem westlichen Ausland regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer begünstigender Umstände möglich, in Afghanistan auf legalem Wege ihre elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen. Die freiwilligen Rückkehrern gewährten finanziellen Hilfen hätten für die Frage der Existenzsicherung bei fehlendem Netzwerk keine nachhaltige Bedeutung, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung und vorübergehende Bedarfsdeckung ermöglichten.

BVerwG: Existenz muss nicht "nachhaltig" gesichert sein

Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Der vom VGH für die Gefahrenprognose zugrunde gelegte Maßstab, nach dem auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen eine "nachhaltige" und nicht nur vorübergehende Existenzsicherung erforderlich sei, stehe mit Art. 3 EMRK und dem Erfordernis einer "schnell" oder "alsbald" nach der Rückkehr eintretenden Gefahr nicht im Einklang, so die Begründung des BVerwG.

Spätere Entwicklungen in Zielstaat nicht zu berücksichtigen 

Die Gefahr eines Art. 3 EMRK-widrigen Zustands sei nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Sie müsse vielmehr in dem Sinne konkret sein, dass die drohende menschenrechtswidrige Beeinträchtigung in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser – in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder Verhaltensweisen des Ausländers – gerechtfertigt ist.

Abschiebungsschutz bei Rückkehrhilfen nur in Ausnahmefällen

Könne der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so könne Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht.

BVerwG, Urteil vom 21.04.2022 - 1 C 10.21

Miriam Montag, Redaktion beck-aktuell, 22. April 2022.