Grundgesetz ohne Rasse - breite Unterstützung für Grünen-Forderung
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Die Grünen-Forderung nach Streichung des Begriffs "Rasse" aus dem Grundgesetz stößt in der Koalition auf Offenheit. Neben den Oppositionsparteien FDP und Linke spricht sich auch die stellvertretende SPD-Chefin Serpil Midyatli klar dafür aus, Innenminister Horst Seehofer (CSU) zeigt sich gesprächsbereit. "Ich versperre mich da nicht", sagte Seehofer am 10.06.2020 in Berlin. Wichtiger sei für ihn aber die Eindämmung von Rassismus in der Praxis.

Verbot rassistischer Diskriminierung muss auch sprachlich zum Ausdruck kommen

Midyatli sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Ausgabe vom 10.06.2020): "Der veraltete Begriff Rasse hat im Grundgesetz nichts zu suchen, er muss aus Art. 3 GG gestrichen werden. Es gibt keine Rassen, diese Klarheit wünsche ich mir auch in unserer deutschen Verfassung." Der Parlamentsgeschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, schrieb auf Twitter: "Das Grundgesetz verbietet rassistische Diskriminierung. Das muss es auch sprachlich zum Ausdruck bringen." Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch twitterte: "Zustimmung!".

Diskussion um Art. 3 Abs. 3 GG

Grünenchef Robert Habeck und die grüne Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteiner Landtags, Aminata Touré, hatten zur Begründung ihrer Forderung in der "Tageszeitung" erklärt: "Es ist Zeit, dass wir Rassismus verlernen." Der Begriff manifestiere eine Unterteilung von Menschen in Kategorien, die Anspruch und Geist des Grundgesetzes widersprächen. "Es gibt eben keine Rassen. Es gibt Menschen." Konkret geht es um Art. 3 Abs. 3 GG. Dort heißt es: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

Vorschlag nicht neu

Neu ist der Vorschlag aber nicht. Bereits nach dem rassistischen Anschlag in Hanau am 20.02.2020 hatte die Grünen-Spitze ihn vorgebracht. Verbände fordern die Streichung schon seit Jahren. 2010 etwa setzte sich das Deutsche Institut für Menschenrechte dafür ein. Auch die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) möchte den Begriff in allen Gesetzestexten und Landesverfassungen ersetzt sehen. Statt von einer Andersbehandlung wegen "seiner Rasse" zu sprechen, sollte das Wort "rassistisch" verwendet werden. "Denn Rassismus ist der Grund für die Herausbildung des Konzeptes menschlicher Rassen - nicht umgekehrt", heißt es in einem Positionspapier zu der Forderung.

Begriff "ethnische Herkunft" als Ersatz?

Während die Grünen den Begriff ersatzlos aus dem Grundgesetz streichen wollen, schlägt Buschmann vor, ihn durch "ethnische Herkunft" zu ersetzen. 2010 hatte die Linke in einem Antrag für die Formulierung "ethnische, soziale und territoriale Herkunft" plädiert.

Diskussion um "latenten Rassismus" bei Sicherheitskräften

Für Diskussion sorgt weiterhin auch die Äußerung der SPD-Chefin Saskia Esken über "latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte" in Deutschland, mit der sie auch in der eigenen Partei Widerspruch geerntet hatte. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Gökay Sofuoglu, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Dass wir in der Polizei einen latenten Rassismus haben, das wissen wir seit den NSU-Morden." Damals sei "vieles vertuscht" worden. Er räumte aber Fortschritte ein und, dass die Polizei überwiegend bemüht sei, ihre Aufgaben "im Rahmen des Grundgesetzes" zu erfüllen.

Städte- und Gemeindebund warnt vor Generalverdacht gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Beamtenbund dbb warnen hingegen vor einem Generalverdacht gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes. "Wenn bei bestimmten Delikten Bevölkerungsgruppen überrepräsentiert sind, ist dies noch kein Indiz für Rassismus und darf nicht dazu führen, die Strafverfolgungs- oder Ermittlungsarbeit aus diesem Grund in Frage zu stellen", sagten der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach und der Gemeindebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Deutschen Presse-Agentur. Sie sehen auch keinen Anlass für unabhängige Aufklärungsstellen: "Bereits heute wird allen Vorwürfen in einem fairen Verfahren nachgegangen", erklärten beide.

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2020 (dpa).