Große Bandbreite an Reaktionen auf Soli-Entscheidung des BFH

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages in der seit 2020 geltenden Form werden insbesondere aus der Union Rufe nach einer vollständigen Abschaffung der Ergänzungsabgabe laut. Andere zeigten sich zufrieden mit dem Urteil. Das Bundesfinanzministerium nahm die Münchener Entscheidung lediglich "zur Kenntnis".

Bundesregierung wünscht sich verfassungsgerichtliche Klärung

"Über den Solidaritätszuschlag wird das Bundesverfassungsgericht in einem anderen Verfahren entscheiden", hieß es laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Montag aus Kreisen des Finanzministeriums. "Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Klärung." Unabhängig von Rechtsfragen werde die Ergänzungsabgabe innerhalb der Koalition bekanntlich politisch und ökonomisch unterschiedlich bewertet, hieß es weiter. "Aus Sicht des Bundesfinanzministers wäre ihre Abschaffung ein Beitrag zur Stärkung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und der Glaubwürdigkeit politischer Zusagen."

DIHK für Abschaffung zur Entlastung der Wirtschaft

Der Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) plädiert trotz der Bestätigung des Soli für dessen Abschaffung, um die Wirtschaft in der Krise zu entlasten. "Derzeit trägt die Wirtschaft rund die Hälfte des verbliebenen Soli-Aufkommens von immerhin elf Milliarden Euro pro Jahr", so DIHK-Präsident Peter Adrian. Über die Einkommensteuer seien rund 2,2 Millionen Einzel- und etwa 400.000 Personenunternehmen betroffen, über die Körperschaftsteuer zusätzlich fast 800.000 Kapitalgesellschaften. Gleichzeitig belasteten die aktuellen Krisen die Betriebe stark, so Adrian weiter. Die seit Januar geltenden Anpassungen im Einkommensteuertarif brächten den Unternehmen keine Verbesserungen. Sie seien nur ein teilweiser Inflationsausgleich – die reale Belastung steige vielmehr weiter.

Auch Union für Abschaffung

Mit ähnlichen Argumenten macht sich auch die CSU für eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags stark. "Wir brauchen in diesen Zeiten Entlastungen und keine Sonderbelastungen", sagte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) am Montag in München. Die CDU warnt die Bundesregierung davor, das BFH-Urteil als Freibrief für eine lockere Haushaltspolitik zu verstehen. "Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes kann die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags nicht ausräumen", sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) am Montag der dpa. Tatsächlich habe das oberste Finanzgericht den Soli nur für "noch" verfassungsmäßig erklärt. Die Verfassungsmäßigkeit bleibe aber davon abhängig, dass der Bund einen besonderen Finanzbedarf für die Herstellung der deutschen Einheit nachweise. "Insofern ist absehbar, dass die Berechtigung des Soli auslaufen wird", sagte Middelberg. "Die Kläger behalten nun die Möglichkeit, gegen die BFH-Entscheidung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen", gab Middelberg zu bedenken. An die Adresse von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte er: "Lindner wird dies in seiner Haushaltsplanung zu berücksichtigen haben und sollte entsprechende Vorsorge treffen. Schließlich klagt ja auch die FDP selbst gegen den Solidaritätszuschlag."

Linke lobt Soli als "gerechteste Steuer" Deutschlands

Dagegen begrüßt Die Linke die Bestätigung des Soli durch den BFH. "Es handelt sich dabei um die gerechteste Steuer, die wir in Deutschland derzeit haben", sagte Parteichef Martin Schirdewan am Montag in Berlin. Der Soli bringe zehn bis elf Milliarden Euro pro Jahr. Würde er abgeschafft, wäre dies "die größte Steuersenkung seit Jahrzehnten", und das nur für die obersten 10% in der Einkommensskala. "Das würde die Ungleichheit, die in dieser Gesellschaft existiert, weiter massiv verschärfen." Auch die Grünen-Ostbeauftragte und Haushaltsexpertin Paula Piechotta begrüßte den Spruch des BFH. Dass der Soli bestehen bleibe, sei "fair in einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich weit auseinanderklafft und wir als Staat sehr große Aufgaben schultern müssen wie den demografischen Wandel, den Fachkräftemangel und die Energiekrise".

Redaktion beck-aktuell, 30. Januar 2023 (ergänzt durch Material der dpa).

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