Gräueltaten gegen Rohingya: UN-Ermittler verlangen Völkermordtribunal gegen führende Militärs von Myanmar

Nach Überzeugung von Ermittlern des UN-Menschenrechtsrats tragen die beispiellosen Gräueltaten des Militärs gegen muslimische Rohingya in Myanmar alle Anzeichen eines Völkermordes. Sie fordern, dass dem Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing und fünf weiteren namentlich genannten Kommandeuren des Militärs vor einem internationalen Tribunal der Prozess gemacht wird.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Morde, Massenvergewaltigungen, Folter, Versklavung

Die UN-Ermittler legten ihnen auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zur Last. "Die Opfer haben ein Recht auf die Wahrheit", sagte der Chef der Untersuchungskommission, der Indonesier Marzuki Darusman in Genf. Die Experten machen die Militärs für Morde, Massenvergewaltigungen, Folter, Versklavung, Gewalt gegen Kinder und das Niederbrennen ganzer Dörfer verantwortlich.

Regierungschefin Aung San Suu Kyi für Schweigen kritisiert

"Die grausamen Menschenrechtsverletzungen und Misshandlungen, die in den Gliedstaaten Kachin, Rakhine und Shan begangen wurden, schockieren wegen ihrer grauenerregenden Art und Allgegenwärtigkeit", schreiben sie. In Rakhine deuteten die Militäraktionen bei der gewaltsamen Vertreibung von hunderttausenden Rohingyas im August 2017 auf einen geplanten Völkermord hin. Die Experten kritisierten auch Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie habe ihre moralische Autorität nicht genutzt, um solche Verbrechen zu verhindern.

Zunächst keine Reaktion der Regierung

Die Regierung der einstigen Militärdiktatur in Südostasien reagierte zunächst nicht. Das Militär hatte zwar nach Wahlen 2011 die Macht abgegeben, sich aber weitreichenden Einfluss gesichert. Es kontrolliert Schlüsselministerien, und das Militär unterliegt nicht der zivilen Kontrolle. Suu Kyi führt seit 2016 die Regierung.

Facebook blockiert Konten von Militärs

Facebook blockierte in einer ersten Reaktion das Konto von Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing sowie 17 weitere Konten, 52 Facebook-Seiten und ein Instagram-Konto mit zusammen fast zwölf Millionen Followern. Die UN-Experten hatten die Weiterverbreitung von Hass-Kommentaren in sozialen Medien, die den Nährboden für die Verfolgung der Rohingya bereiten, scharf kritisiert. "Wir haben zu spät reagiert", räumt Facebook ein.

Rohingya in Myanmar seit Jahrzehnten verfolgt

Die muslimischen Rohingya werden im buddhistischen Myanmar seit Jahrzehnten verfolgt. Militär, Behörden und Bevölkerung bezeichnen sie als "Bengalen". Sie wollen damit nahelegen, dass sie aus dem Nachbarland Bangladesch stammen, obwohl viele Rohingya teils mit den britischen Kolonialherren im 19. Jahrhundert ins Land kamen und seit Generationen im Bundesstaat Rhakine leben.

Beispiellose Militäraktionen nach Rebellenangriff im August 2017

Nach einem Angriff von Rohingya-Rebellen startete das Militär im August 2017 eine beispiellose Gewaltaktion. Überlebende berichteten, Verwandte von ihnen seien erschossen, Frauen vergewaltigt, Kinder ermordet, Häuser niedergebrannt und Felder zerstört worden. Mehr als 700.000 Rohingya flüchteten nach Bangladesch.

Human Rights Watch: UN-Ermittler durchbrechen System der Straflosigkeit

"Die UN-Kommission hat getan, was niemand in Myanmar, einschließlich Suu Kyi und die zivile Regierung, gewagt haben: Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing und seinen Top-Generälen die schlimmsten Menschenrechtsverbrechen vorzuwerfen", sagte Phil Robertson von Human Rights Watch. "Die Zeiten, in denen sich das Militär hinter einem System der Straflosigkeit verstecken konnte, sind nun vorbei."

UN-Ermittler: Genügend Beweise für Anklage

"Wir sind kein Gericht", betonte der australische Menschenrechtsanwalt Christopher Sidoti, einer der drei Leiter der Untersuchungskommission. "Wir hebeln die Unschuldsvermutung nicht aus. Aber wir haben genügend Beweise für Elemente eines Völkermordes gefunden, dass wir Ermittlungen und Anklagen vor einem internationalen Tribunal empfehlen." Er zitiert unter anderem Min Aung Hlaing, der die Rohingya öffentlich als "Bengali-Problem" bezeichnete. Die Regierung setze alles daran, "das Problem" zu lösen. Das Militär habe Zivilisten seit Jahrzehnten mit extremer Brutalität drangsaliert und sei nie zur Rechenschaft gezogen worden. Myanmar verweigerte den Experten die Einreise, aber sie sprachen mit 875 Augenzeugen und Opfern und untersuchten Dokumente, Satellitenaufnahmen und Fotos. Myanmar hat die Gewalt als nötigen Kampf gegen Terror von Rohingya-Rebellen dargestellt.

Redaktion beck-aktuell, 27. August 2018 (dpa).

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