Gesundheitsausschuss: Experten mit Detailkritik am zweiten Anti-Corona-Paket

Das geplante zweite Anti-Corona-Paket findet im Großen und Ganzen die Zustimmung der geladenen Experten im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Diese meldeten in einer Anhörung zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen am 11.05.2020 nur in Bezug auf einzelne Regelungen Korrekturbedarf an. Vor allem Finanzierungsfragen, aber auch organisatorische Details sowie die weitreichenden Verordnungsermächtigungen für das Bundesgesundheitsministerium stießen auf Kritik.

Mehr Coronatests und Corona-Prämie für Pflegekräfte

Die Novelle zielt unter anderem darauf ab, die Zahl der Coronatests deutlich auszuweiten, um Infektionsketten früh zu erkennen. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) soll dazu verpflichtet werden können, Tests zu bezahlen. Gesundheitsämter sollen die Tests ebenfalls über die GKV abrechnen können. In Pflegeeinrichtungen soll verstärkt getestet werden. Für Beschäftigte in der Pflege ist eine einmalige Corona-Prämie vorgesehen.

Spitzenverband der GKV gegen prophylaktische Coronatests

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung lehnte die Kostenübernahme für rein prophylaktische Coronatests ab, wenn keine Symptome vorliegen oder im Umfeld keine gefährdeten Personen leben. Damit würden der GKV Kosten für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen auferlegt, die aus Steuergeldern zu finanzieren seien. Die hochgerechneten Kosten von rund 60 Millionen Euro je eine Million zusätzlicher Tests könnten beitragssatzrelevant sein, warnte der Verband.

VdK fordert flächendeckenden Tarifvertrag für Altenpflege

Auf die Prämien für Pflegekräfte ging der Sozialverband VdK ein und forderte eine nachhaltige Lösung. Die Krise habe nochmals gezeigt, welch hohe gesellschaftliche Bedeutung diese Beschäftigten hätten. Deswegen sei ein flächendeckender Tarifvertrag für die Altenpflege nötig, der den dort Beschäftigten zu allen Zeiten einen ausreichenden Lohn sichere. Nach Ansicht des VdK sollten die Prämien nicht von der sozialen Pflegeversicherung getragen, sondern aus Steuermitteln refinanziert werden.

Ärzteverband fordert Stärkung Öffentlichen Gesundheitsdienstes

Der Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) forderte eine langfristige Strategie. Der ÖGD müsse auf kommunaler Ebene personell, strukturell und finanziell gestärkt werden. Die geplanten Fördermittel von 150.000 Euro pro Gesundheitsamt seien nur ein erster Anschub, der ausgebaut werden müsse.

Interessenvertretung pflegender Angehöriger enttäuscht

Die Interessenvertretung pflegender Angehöriger zeichnete ein düsteres Bild und forderte mehr Unterstützung. Die Familien seien im Wesentlichen sich selbst überlassen und versuchten verzweifelt, die Pflege anders zu organisieren und mit dem Beruf in Einklang zu bringen. Die Situation erfordere ganzheitliche Lösungen für Menschen, die den physischen und psychischen Zenit ihrer Kräfte längst überschritten hätten. Der Gesetzentwurf sei vor diesem Hintergrund eine Enttäuschung.

Verfassungsrechtliche Zweifel an Verordnungsermächtigungen

In der Anhörung nahm auch die Frage der Verordnungsermächtigungen breiten Raum ein, die mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag zugunsten des Bundesgesundheitsministeriums ermöglicht wurden. Nach Ansicht von Rechtsexperten ist diese Vorgehensweise verfassungsrechtlich bedenklich.

Redaktion beck-aktuell, 12. Mai 2020.