Was geht noch vor der Wahl? Ent­schei­dun­gen zu § 218 StGB, zur kal­ten Pro­gres­si­on und zur BVerfG-Si­che­rung mög­lich

Viel wird im Bun­des­tag vor der Bun­des­tags­wahl nicht mehr pas­sie­ren, SPD und Grü­nen feh­len die Stim­men, den an­de­ren Par­tei­en die Grün­de zur Mit­ar­beit. Ein­zel­ne Pro­jek­te könn­ten es mit wech­seln­den Mehr­hei­ten aber doch noch schaf­fen, etwa die Le­ga­li­sie­rung des Schwan­ger­schafts­ab­bruchs.

Die CDU/CSU-Frak­ti­on hat ihre Zu­rück­hal­tung bei noch zu be­schlie­ßen­den Vor­ha­ben vor der Bun­des­tags­wahl am 23. Fe­bru­ar be­kräf­tigt. Es gebe von der Seite der Union über­haupt kein In­ter­es­se, mit der Bun­des­re­gie­rung in auf­wen­di­ge Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren ein­zu­tre­ten, mach­te Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rer Thors­ten Frei (CDU) in Ber­lin deut­lich. Im Bun­des­tag gibt es nach dem Bruch der Ampel-Ko­ali­ti­on keine fes­ten Mehr­hei­ten mehr. Mög­lich wäre, dass die FDP ein­zel­nen Vor­ha­ben trotz des Aus­schei­dens aus der Ampel noch zu­stimmt, dann wären Stim­men der Union nicht not­wen­dig.

Frei er­läu­ter­te, dass eine vor­ge­se­he­ne Grund­ge­setz­än­de­rung zur Ab­si­che­rung des BVerfG gegen po­li­ti­sche Ein­flüs­se vor Weih­nach­ten kom­men solle. Zu re­geln seien au­ßer­dem noch ei­ni­ge zeit­kri­ti­sche Dinge wie aus­lau­fen­de Bun­des­wehr­man­da­te im ers­ten Quar­tal 2025.

Auch der CDU-Vor­sit­zen­de Fried­lich Merz konn­te sich vor­stel­len, ein­zel­nen Vor­ha­ben noch über die Ziel­li­nie zu hel­fen, wie etwa der Ab­si­che­rung des BVerfG. Vor­ha­ben mit Aus­wir­kun­gen auf den Bun­des­haus­halt wolle er in die­ser Wahl­pe­ri­ode aber nicht mehr zu einer Mehr­heit ver­hel­fen. "Wir wer­den kei­nem Ge­setz­ent­wurf der SPD und der Grü­nen zu­stim­men, der haus­halts­wirk­sam ist", sagte Merz vor einer Frak­ti­ons­sit­zung in Ber­lin. "Wir haben weder einen Nach­trags­haus­halt für das Jahr 2024, noch gibt es einen Haus­halt für das Jahr 2025. Damit ver­bie­ten sich Be­schluss­fas­sun­gen, die haus­halts­wirk­sam sind."

Frei: "Nichts mit der Brech­stan­ge ma­chen"

Frei sagte mit Blick auf an­ge­streb­te Ent­las­tun­gen bei der so­ge­nann­ten kal­ten Pro­gres­si­on bei der Ein­kom­men­steu­er: "Wir wer­den nichts mit der Brech­stan­ge ma­chen." Die Union un­ter­stüt­ze das Ziel. Das noch von der Ampel vor­ge­leg­te Ge­setz sei aber nicht zu­stim­mungs­fä­hig, da es an­de­re Re­ge­lun­gen ent­hal­te, die man ab­leh­ne. Da man die Ent­las­tung zum 1. Ja­nu­ar 2025 auch rück­wir­kend re­geln könne, gebe es kei­nen Zeit­druck. Auch die FDP kann sich eine Zu­stim­mung zu die­sem Vor­ha­ben vor­stel­len. "Wenn da jetzt neue Si­gna­le kom­men, die Kalte Pro­gres­si­on durch den Deut­schen Bun­des­tag zu brin­gen und die hart ar­bei­ten­de Mitte zu ent­las­sen, ist das gut, dann wer­den wir dar­über spre­chen, auch ins­be­son­de­re was das Kin­der­geld be­trifft", sagte FDP-Frak­ti­ons­chef Chris­ti­an Dürr vor einer Frak­ti­ons­sit­zung in Ber­lin.

Frei be­rich­te­te, dass au­ßer­dem eine Be­fas­sung mit vier frak­ti­ons­über­grei­fen­den An­trä­gen von Ab­ge­ord­ne­ten­grup­pen im Par­la­ment an­ste­he - unter an­de­rem zur Ein­füh­rung einer Wi­der­spruchs­re­ge­lung für Or­gan­spen­den und zum § 218 zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen. Er halte dies für ab­so­lut un­an­ge­mes­sen, da die Zeit bis zur Wahl keine se­riö­se Be­ra­tung sol­cher grund­le­gen­den Fra­gen mehr er­mög­li­che. Frei mach­te deut­lich, dass die An­trä­ge zu­nächst in die Aus­schüs­se über­wie­sen und nach Be­ra­tun­gen dort mit einer Ver­fah­rens­mehr­heit ins Ple­num ge­bracht wer­den müss­ten. "Der Weg ist nicht vor­ge­zeich­net, der ist offen".

Le­ga­li­sie­rung von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen könn­te noch kom­men

Grü­nen-Frak­ti­ons­che­fin Ka­tha­ri­na Dröge sieht da­ge­gen eine Chan­ce, dass es für den Ge­set­zes­vor­stoß einer Ab­ge­ord­ne­ten­grup­pe zur Le­ga­li­sie­rung von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen in den ers­ten drei Mo­na­ten eine Mehr­heit geben könn­te. Dröge sagte vor einer Frak­ti­ons­sit­zung in Ber­lin: "Mein Ein­druck ist, dass es eine Mehr­heit dafür geben könn­te, in die­ser Le­gis­la­tur­pe­ri­ode das Ge­setz im Deut­schen Bun­des­tag zu be­schlie­ßen." Es gebe eine große par­la­men­ta­ri­sche Un­ter­stüt­zung für einen Grup­pen­an­trag. "Ich ge­hö­re zu einer ganz gro­ßen Grup­pe von Ab­ge­ord­ne­ten, die in die­ser Woche den Vor­schlag ma­chen wer­den, dass wir hier zu einer Re­form kom­men, die mehr Si­cher­heit und mehr Selbst­be­stim­mung für Frau­en er­mög­licht", sagte Dröge.

Dürr mach­te deut­lich, Ab­ge­ord­ne­ten sei­ner Frak­ti­on bei einer Ab­stim­mung freie Hand zu las­sen. Es hand­le sich um ein me­di­zi­nethi­sches Thema. "Aber gleich­zei­tig stel­le ich die Frage, ob jetzt in der kur­zen ver­blei­ben­den Zeit aus­rei­chend Be­ra­tungs­zeit dafür ist."

Schwan­ger­schafts­ab­brü­che sind der­zeit laut § 218 StGB rechts­wid­rig. Tat­säch­lich blei­ben sie in den ers­ten zwölf Wo­chen aber straf­frei, wenn die Frau sich zuvor be­ra­ten lässt. Ohne Stra­fe bleibt ein Ab­bruch zudem, wenn me­di­zi­ni­sche Grün­de vor­lie­gen oder wenn er wegen einer Ver­ge­wal­ti­gung vor­ge­nom­men wird. Über die Ab­schaf­fung des Pa­ra­gra­fen wird seit Jah­ren ge­strit­ten. Nach dem Vor­schlag der Ab­ge­ord­ne­ten sol­len Ab­trei­bun­gen bis zur 12. Woche recht­mä­ßig wer­den. Die Pflicht zur Be­ra­tung blie­be be­stehen, al­ler­dings ohne die der­zeit gel­ten­de War­te­pflicht von drei Tagen zwi­schen Be­ra­tung und Ab­trei­bung. Wenn eine Ab­trei­bung ohne Be­ra­tungs­be­schei­ni­gung vor­ge­nom­men wird, soll sich künf­tig nur der Arzt oder die Ärz­tin straf­bar ma­chen. Die Frau blie­be straf­frei.

Merz hält nichts von dem Vor­stoß. Es solle ver­sucht wer­den, "den Pa­ra­gra­fen 218 jetzt noch im Schnell­ver­fah­ren zum Ende der Wahl­pe­ri­ode ab­zu­schaf­fen". Es han­de­le sich um ein Thema, "das wie kein zwei­tes das Land po­la­ri­siert, das wie kein zwei­tes ge­eig­net ist, einen völ­lig un­nö­ti­gen wei­te­ren ge­sell­schafts­po­li­ti­schen Gro­ß­kon­flikt in Deutsch­land aus­zu­lö­sen". Dröge ant­wor­te­te, wenn man so über das Thema spre­che wie Merz, ver­su­che man, Gro­ß­kon­flik­te an­zu­sta­cheln.

Redaktion beck-aktuell, js/jvh, 3. Dezember 2024 (dpa).

Mehr zum Thema