Gesetzentwurf zu Geldwäsche spaltet Sachverständige

In einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche kamen die geladenen acht Sachverständigen zu unterschiedlichen Bewertungen. Während die Vertreter der Praxis die meisten der geplanten Maßnahmen unterstützten, sparten die geladenen Rechtswissenschaftler nicht mit Kritik an der Vorlage.

Erfassung auch geringfügiger Kriminalität in der Kritik

So betonte Jens Bülte von der Universität Mannheim, dass die Bekämpfung von Geldwäsche ein zentrales Anliegen rechtsstaatlicher Kriminalpolitik und notwendig sei, um der organisierten Kriminalität die finanzielle Grundlage zu entziehen. Davon entferne sich die Strafgesetzgebung durch jede Änderung des Geldwäsche-Paragrafen 261 StGB weiter, weil sich die Strafvorschrift auch gegen geringfügige und mittlere Kriminalität richte. Das führe zu einer Zersplitterung der Kräfte und einer weiteren Belastung einer bereits überlasteten Justiz. § 261 StGB solle nach dem Entwurf künftig für jeden Ladendiebstahl und andere Kleinkriminalität, sogar für Fahrlässigkeitstaten, gelten. Der Entwurf sei lebensfremd und kontraproduktiv und behindere eine effektive Strafverfolgung. Das Strafrecht dürfe nicht als Mittel zur Abschöpfung missbraucht werden.

Warnung vor Überstrapazierung der Strafverfolgungsorgane

Matthias Jahn von der Goethe-Universität Frankfurt am Main schloss sich Bülte an und erklärte, die im August 2020 noch erkennbaren Bemühungen des Referentenentwurfs, trotz des Paradigmenwechsels hin zum "all-crimes-approach" eine per Saldo näherungsweise ausgewogene Neuregelung zu schaffen, gebe der Regierungsentwurf mit seiner Konzeption flächendeckender Kriminalisierung bei leichtfertiger Tatbegehung auf. Dies sei nach europäischem Recht durch die Geldwäscherichtlinie 2018/1673 nicht veranlasst und kriminal- und justizpolitisch im Kampf gegen organisierte Kriminalität dysfunktional, weil die ohnehin belasteten Ressourcen der Strafverfolgung mit bagatellhaften Vortaten überstrapaziert werden. Der "All-Crimes-Ansatz" werde zu viel Beifang führen und das System verstopfen.

Defizite bei Geldwäschebekämpfung auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden

Ähnlich wie die beiden Rechtsprofessoren argumentierte Matthias Dann von der Bundesrechtsanwaltskammer. Die Streichung des Vortatenkatalogs führe nicht zu einer effektiveren Geldwäschebekämpfung, und es gebe auch keine systematische Notwendigkeit einer Streichung. Defizite bei der Geldwäschebekämpfung führe die BRAK nicht primär auf unzureichende Regelungen im Kernstrafrecht, sondern auf mangelnde Ressourcen aufseiten der Strafverfolgungsbehörden zurück. Der Entwurf trage nicht dazu bei, die Hintermänner von Geldwäsche-Taten zu überführen.

Erweiterung selbstständiger Einziehung begrüßt

Dagegen begrüßte Marcus Köhler, Richter am Bundesgerichtshof, Leipzig, die Streichung des Geldwäschevortatenkatalogs ebenso wie die Erweiterung der selbstständigen Einziehung (§ 76a StGB) auf die aus dem Einziehungsgegenstand gezogenen Nutzungen. Mit der Streichung sei der Weg für eine gesetzliche Verankerung eines schlüssigen Konzepts zur wirksamen Bekämpfung der Geldwäsche durch ein Zusammenspiel von strafrechtlicher Ahndung und strafrechtlicher Vermögensabschöpfung geebnet. Er sollte nicht durch neue gesetzliche Einschränkungen verbaut werden, deren Folgen nicht gewollt seien und von denen im Ergebnis nur die organisierte Kriminalität profitieren würde. Denn ein schöneres Weihnachtsgeschenk könne sich diese nicht wünschen.

"All-Crimes-Ansatz" beseitigt praktische Beweisführungsschwierigkeiten

So sah das auch der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Joachim Lüblinghoff. Der Gesetzentwurf sei sehr kompliziert, das sei die Geldwäsche aber auch. Der neue "All-Crimes-Ansatz" erweitere nicht nur den Anwendungsbereich der Geldwäsche. Er sei vor allem geeignet, praktische Schwierigkeiten in der Beweisführung zu beseitigen, weil der Nachweis, dass ein Tatobjekt aus einem selektiven Kreis bestimmter geldwäschetauglicher Vortaten stammt, entfällt. Der "All-Crimes-Ansatz" finde auch Anklang in anderen europäischen Ländern und diene der Harmonisierung. Zu bedenken gab Lüblinghoff, dass die Ausweitung der Strafverfolgung im Bereich der Geldwäsche eine erheblich stärkere Belastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte erwarten lasse.

Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche als erforderlich erachtet

Oberstaatsanwalt Klaus Ruhland, Leiter der zentralen Koordinierungsstelle Vermögensabschöpfung in Bayern, betonte, dass durch die Aufgabe des Vortatenkatalogs die Beweisführung in Geldwäscheverfahren erleichtert werde. Dies werde dazu führen, dass eine Geldwäschestrafbarkeit häufiger als bisher greifen und die strafrechtliche Verfolgung der Geldwäsche stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden gelangen werde. Auch sei die Beibehaltung der Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken aus Sicht der Praxis unbedingt erforderlich. Effektive Verbesserungen bei der Bekämpfung der Geldwäsche ließen sich aber nur durch effektive Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung erreichen.

Problem des Vermögens unklarer Herkunft aufgeworfen

Auch der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, begrüßte den Verzicht auf einen Vortatenkatalog. Ermittlungen in Sachverhalten, wo die Herkunft von Vermögen durch komplexe, internationale Strukturen aus Strohpersonen und Briefkastenfirmen verschleiert werde, würden jedoch durch einen All-Crimes-Ansatz nicht erleichtert, da das entscheidende Hindernis hierbei nicht die Begrenzung der Strafbarkeit auf bestimmte Vortaten sei, sondern die Erforderlichkeit, überhaupt irgendeine kriminelle Quelle des betreffenden Vermögens nachzuweisen. Vermögen unklarer Herkunft dürften nicht bei den Tätern verbleiben. Es gehe bei der Geldwäsche Fiedler zufolge um kriminell erwirtschaftetes Geld in einer geschätzten Größenordnung von 100 Milliarden Euro pro Jahr. Davon kriege man derzeit nur unterhalb eines Prozents in die Finger.

Redaktion beck-aktuell, 10. Dezember 2020.