Geringe Trinkgelder nicht auf Sozialleistungen anrechenbar

Trinkgeld mindert nicht zwangsläufig den Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Zwar sei Trinkgeld grundsätzlich als Einkommen zu werten. Die Trinkgeldgabe müsse die Lage des Leistungsempfängers allerdings so günstig beeinflussen, dass daneben die Erbringung von Arbeitslosengeld II nicht mehr gerechtfertigt wäre. Dies sei nur der Fall, wenn das Trinkgeld 10% des maßgebenden Regelbedarfs übersteige, so das Gericht.

Jobcenter berücksichtigte Trinkgelder als Erwerbseinkommen - Klage war erfolglos

Die als Servicekraft in der Gastronomie tätige Klägerin erhielt neben ihrem Lohn ein Trinkgeld in Höhe von 25 Euro monatlich. Das beklagte Jobcenter bewilligte ihr 2014/2015 SGB-II-Leistungen jeweils unter Berücksichtigung dieser Trinkgelder als sonstiges Einkommen. Hiergegen wendete sich die Klägerin und verlangte höhere Leistungen. Das Berufungsgericht verurteilte den Beklagten zwar, der Klägerin höheres Arbeitslosengeld II zu gewähren. Die Trinkgelder seien aber dennoch als Erwerbseinkommen zu berücksichtigen. Für eine Ausnahme § 11a Abs. 5 SGB II fehle es an einer Nähebeziehung zwischen Gebendem und Nehmender. Die Klägerin legte Revision ein.

BSG: Trinkgelder unterhalb von 10% des maßgebenden Regelbedarfs nicht anrechenbar

Das Bundessozialgericht hat der Revision zum Teil stattgegeben. Das zugeflossene Trinkgeld sei bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Zwar sei Trinkgeld grundsätzlich Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Vorliegend handele es sich aber um eine nicht zu berücksichtigende Zuwendung im Sinne des § 11a Abs. 5 SGB II. Die Trinkgeldgabe beeinflusse hier die Lage der Klägerin nicht so günstig, dass daneben die Erbringung von Arbeitslosengeld II nicht mehr gerechtfertigt wäre. Die Nichtberücksichtigung der Zuwendung laufe angesichts ihrer Höhe dem Nachranggrundsatz der Leistungen nach dem SGB II nicht zuwider, weil sie 10% des maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteige und damit den Abstand zu den Freibetragsregelungen des SGB II wahre.

BSG, Urteil vom 13.07.2022 - B 7/14 AS 75/20 R

Redaktion beck-aktuell, 14. Juli 2022.