Gericht sieht VW-Betriebsratswahl in Wolfsburg als unwirksam an

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat nach Beschwerden mehrerer VW-Beschäftigter Mängel im Ablauf der letzten Betriebsratswahl im Stammwerk Wolfsburg festgestellt und diese daher für unwirksam erklärt. Nach Angaben eines Gerichtssprechers hatten insgesamt neun Antragsteller unter anderem den Umgang mit der Briefwahl moniert. Der Betriebsrat zeigte sich von der Entscheidung überrascht und kündigte an, den Streit in nächster Instanz vor dem Landesarbeitsgericht weiterzuführen.

Verstoß gegen Grundsatz des Vorrangs der Präsenz- vor der Briefwahl

Nach Angaben eines Gerichtssprechers hat der Betriebsrat gegen den Vorrang der Präsenz- vor der Briefwahl verstoßen. Auch der Umgang mit Briefwahl-Rückläufern wurde dem Gericht zufolge gerügt. Die Mitglieder alternativer Listen sahen demnach zudem Unregelmäßigkeiten mit Blick auf Wahlplakate: Aus ihrer Sicht seien Zerstörung und Überkleben nicht effektiv unterbunden worden. Der Betriebsrat hält die Gründe, weshalb die Abstimmung anfechtbar sein soll, nach eigener Aussage für nicht überzeugend und kündigte an, Beschwerde zum LAG einlegen zu wollen. Der weiterlaufende Rechtsstreit ändere nichts daran, dass der neue Betriebsrat im Amt bleibe. Auch das Unternehmen betonte, dass die aktuellen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiterhin bestellt seien.

Kritik am Führungsstil von Gewerkschaftern

Am Volkswagen-Hauptsitz ist die IG Metall seit jeher einflussreich, auch bei der letzten Betriebsratswahl holte ihre Liste mit Abstand die meisten Stimmen. Siegerin Daniela Cavallo war für die IG Metall erstmals offiziell als Betriebsrats-Spitzenkandidatin im Hauptwerk angetreten, nachdem die Gremien sie 2021 zunächst nur vorläufig und intern zur Nachfolgerin von Bernd Osterloh bestimmt hatten. Sie sitzt auch im Präsidium des VW-Aufsichtsrats, wo alle grundsätzlichen Entscheidungen zur Konzernstrategie fallen. Nach der Auszählung hatte die Gewerkschaft einen Anteil von 85,5% gemeldet. Nächststärkste Kraft wurde laut Betriebsrat "Die Andere Liste" mit dem örtlichen Ex-IG-Metall-Chef Frank Patta. Vor dem ArbG gingen gegen den Ablauf der Wahl Beschäftigte vor, die auf drei weiteren Listen angetreten waren. Es war zuletzt auch Kritik am Führungsstil einiger Gewerkschafter laut geworden.

IG-Metall: Wahl Cavallos "ein starkes Ergebnis in schwierigen Zeiten"

Nach Auffassung der regionalen IG-Metall-Bezirksleitung erzielte Cavallo bei der Wahl "ein starkes Ergebnis in schwierigen Zeiten". Neben Produktionsausfällen durch Lieferkettenprobleme und die Folgen der Corona-Pandemie beschäftigte der Krieg in der Ukraine den Konzern - etliche Schichten fielen wegen fehlender Zulieferteile aus. "Dass diese nun die Wahl anfechten, ist ihr demokratisches Recht", meinte die Gewerkschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zu der gerichtlichen Beschwerde der neun Antragsteller in Braunschweig. Dennoch gelte: "Die Beschäftigten bei Volkswagen in Wolfsburg und im Übrigen auch an allen anderen VW-Standorten haben deutlich der IG Metall ihr Vertrauen ausgesprochen." Zur Wahl der lokalen Vertretung allein in Wolfsburg waren bei VW mehr als 67.600 Beschäftigte aufgerufen. 66 von 73 Mandaten gingen an die IG Metall. In dem Wahlsystem musste jede der acht Bewerberlisten eine Mindestzahl von Stimmen bekommen, um auch Vertreter stellen zu können. Daher wurden einige Voten am Ende nicht berücksichtigt.

ArbG Braunschweig, Beschluss vom 13.07.2022 - 3 BV 5/22

Redaktion beck-aktuell, 14. Juli 2022 (dpa).