Schließung von Tattoo-Studios nicht länger gerechtfertigt

Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Lüneburg hat die auf Grundlage der niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Schließung von Tattoo-Studios vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das derzeitige Infektionsgeschehen lasse keine Schließung mehr zu, so die Begründung. Damit war der Eilantrag des Betreibers eines Tattoo-Studios erfolgreich. Die einstweilige Außervollzugsetzung ist allgemeinverbindlich.

Zahl der Neuinfektionen deutlich zurückgegangen

Aus Sicht des OVG kann die vollständige Untersagung der Erbringung von Dienstleistungen in Tattoo-Studios derzeit nicht mehr als notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG angesehen werden. Das Infektionsgeschehen habe sich auch aufgrund der von den Infektionsschutzbehörden ergriffenen Maßnahmen in letzter Zeit verlangsamt. Die Zahl der Neuinfektionen, aber auch die Zahl der tatsächlich (noch) Infizierten sei deutlich zurückgegangen.

Gefahr nicht vollständig ausgeräumt – aber deutlich vermindert

Auch wenn die Gefahr der Verbreitung der Infektion und die daran anknüpfende Gefahr der mangelnden hinreichenden Behandelbarkeit schwer verlaufender Erkrankungen wegen fehlender spezifischer Behandlungsmöglichkeiten und nicht unbegrenzt verfügbarer Krankenhausbehandlungsplätze fortbestehe, habe sich diese Gefahr deutlich vermindert, heißt es in dem Beschluss weiter.

Verweis auf Stufenplan für Ausstieg aus dem Lockdown

Diese Gefahreneinschätzung liege offenbar auch dem Plan der niedersächsischen Landesregierung "Nach dem Lockdown – Neuer Alltag in Niedersachsen, Stufenplan" vom 04.05.2020 und der darauf basierenden Corona-Verordnung vom 08.05.2020 zugrunde. Dieser Konzeption des Antragsgegners folgend sei die zuletzt noch durch die Vierte Corona-Verordnung vom 17.04.2020 verlängerte Untersagung der Erbringung von Dienstleistungen unter anderem durch Friseure, Tattoo-, Nagel- und Kosmetikstudios, Physiotherapeuten und Fahrschulen aufgehoben oder "gelockert" worden.

Hygienemaßnahmen ausreichend

Den Regelungen sei die Einschätzung des Verordnungsgebers zu entnehmen, dass auch bei eigentlich "nicht dringend notwendigen Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern von Mensch zu Mensch nicht eingehalten werden könne", die zunächst vollständige Untersagung der Dienstleistung nicht mehr als notwendige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 anzusehen sei, sondern die mit der Nichteinhaltung des Abstandsgebots fraglos weiterhin verbundenen erhöhten Infektionsgefahren hinreichend effektiv durch Hygienemaßnahmen vermindert werden könnten.

Keine Erkenntnisse zu Virus-Übertragung durch Blut

Diese Einschätzung des Verordnungsgebers sei nicht zu beanstanden, gelte aber in gleicher Weise für die Erbringung "körpernaher Dienstleistungen" in einem Tattoo-Studio, so das OVG. Denn insoweit sei weder vom Antragsgegner ein nachvollziehbarer sachlicher Grund für eine abweichende Bewertung dargetan noch sei ein solcher Grund für das OVG offensichtlich. Aus dem Vorbringen des Antragsgegners ergäben sich insbesondere keine belastbaren tatsächlichen Erkenntnisse dafür, dass das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 durch Blut oder Blutprodukte übertragbar sei. 

Redaktion beck-aktuell, 19. Mai 2020.