Gericht befragt EuGH zum Kindeswohl bei Rückkehrentscheidung

Der Europäische Gerichtshof soll klären, ob im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) beachtliche Gründe bereits dem Erlass einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung entgegenstehen können. Dies ergibt sich aus einem am Mittwoch ergangenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts. Der Senat hat das Revisionsverfahren bis zu einer Entscheidung über die Vorlagefrage ausgesetzt.

Asylantrag der Mutter abgelehnt

Zugrunde liegt dem Verfahren der Fall des im Jahr 2018 geborenen Klägers. Wie seine Eltern besitzt er die nigerianische Staatsangehörigkeit. Zugunsten des Vaters und einer im Jahre 2014 geborenen Schwester des Klägers hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK festgestellt. Beiden wurden in der Folge Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Der Asylantrag der Mutter und einer weiteren im Jahre 2016 geborenen Schwester des Klägers wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Das insoweit bei dem Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren ist im Hinblick auf das streitgegenständliche Verfahren ruhend gestellt worden. Ein Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist ohne Erfolg geblieben. Ihr Aufenthalt wird seither geduldet.

VG: Trennung vom Vater nicht zumutbar

Der Kläger hatte zunächst einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurde. Das VG hat die gegen den Kläger erlassene Abschiebungsandrohung und das mit dieser einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot unter Abweisung der Klage im Übrigen aufgehoben. Wegen des hinsichtlich des Vaters des Klägers und dessen Schwester festgestellten nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe bezüglich des Klägers ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, da dem Kläger eine Trennung von seinem Vater ob seines Alters nicht zuzumuten sei.

Wohl des Kindes und familiäre Bindungen zu berücksichtigen

Das BVerwG sieht unionsrechtlichen Klärungsbedarf, ob das nationale Recht, dem zufolge das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegensteht, mit Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG vereinbar ist. Danach berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie in gebührender Weise das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen.

BVerwG, Beschluss vom 08.06.2022 - 1 C 24.21

Redaktion beck-aktuell, 8. Juni 2022.