VerfGH Berlin: Organstreitverfahren der AfD gegen Berliner Bürgermeister im Streit um Twitter-Nachricht bleibt erfolglos

Eine Twitternachricht des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Michael Müller (SPD) verstößt nicht gegen das Recht der AfD auf Chancengleichheit. Dies geht aus einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Berlin vom 20.02.2019 hervor. Ein vom Berliner Landesverband der AfD angestrengtes Organstreitverfahren bleibt damit erfolglos. In der Kurznachricht hatte Müller sich vor dem Hintergrund einer Demonstration der AfD und Gegendemonstrationen unter anderem gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze ausgesprochen (Az.: VerfGH 80/18).

Müller lobte Demonstrationen gegen Rassismus

Am 27.05.2018 fand in Berlin eine vom Bundesverband der AfD angemeldete Demonstration zum Thema "Zukunft Deutschland" statt, die um 15.16 Uhr beendet war. Anlässlich dieser Demonstration wurden am selben Tag zahlreiche weitere Demonstrationen durchgeführt. Gegen 17.30 Uhr verbreitete der Regierende Bürgermeister folgende Nachricht über Twitter: "Zehntausende in #Berlin heute auf der Straße, vor dem #BrandenburgerTor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und #Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze."

AfD: Negative Werturteile über veranstaltende Partei

Die AfD machte vor dem VerfGH geltend, der Regierende Bürgermeister habe mit dieser Nachricht ihr Recht auf Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb aus Art. 21 GG verletzt. Aus diesem Recht folge, dass Inhaber eines Regierungsamtes bei Äußerungen in amtlicher Funktion zur Neutralität verpflichtet seien. Sie dürften daher nicht einseitig parteiergreifend zulasten einzelner politischer Parteien Stellung nehmen. Ihnen sei insbesondere verwehrt, aus Anlass einer politischen Kundgebung negative Werturteile über die veranstaltende Partei abzugeben. Ein solcher Fall liege vor. Der Regierende Bürgermeister habe für die Verbreitung der Nachricht seinen offiziellen Twitteraccount verwendet und sich damit in seiner amtlichen Funktion geäußert. Daher gelte das Neutralitätsgebot. Die Nachricht verstoße gegen dieses Gebot, weil sie eine positive Bewertung der Gegendemonstrationen enthalte. Damit werde zugleich die AfD kritisiert.

Twitter-Nachricht fehlte Bezug zu AfD

Der VerfGH ist der Argumentation der Antragstellerin nicht gefolgt. Zwar habe der Antragsgegner, indem er die Nachricht über den Twitter-Account des Regierenden Bürgermeisters verbreitet habe, in amtlicher Funktion gehandelt. Er sei daher dem Neutralitätsgebot unterworfen gewesen. Nach Auffassung der Richter habe der Nachricht jedoch der für die Annahme eines Eingriffs in das Recht auf Chancengleichheit erforderliche Bezug zur Antragstellerin gefehlt. Aus dem Wortlaut der Nachricht ergebe sich nichts, was auf die Antragstellerin als Bezugspunkt der Nachricht hindeutete. Sie habe weder eine Kollektivbezeichnung enthalten, die für die AfD stehen könnte, noch sonst irgendeine sprachliche Anspielung auf diese.

Auch Kontext des Demonstrationsgeschehens stellt keinen Bezug zu AfD her

Nach Auffassung des VerfGH ergibt sich dieser Bezug auch nicht aus dem Kontext des Demonstrationsgeschehens. Denn dass neben den in der Nachricht in Bezug genommenen Demonstrationen eine Kundgebung der AfD stattfand, sei aus der Nachricht selbst nicht hervorgegangen. Dieser Zusammenhang hätte vielmehr Wissen aus anderen Quellen vorausgesetzt, das nach dem Urteil des VerfGH bei dem maßgeblichen objektiven Empfänger der Twitter-Nachricht nicht ohne weiteres unterstellt werden konnte. Zudem habe sich der Regierende Bürgermeister in seiner Nachricht darauf beschränkt, sich mit allgemeinen Wertebekenntnissen von Demonstranten zu solidarisieren. Der Unterstützung einer spezifischen Kritik an der AfD habe er sich in seiner Nachricht enthalten.

Mittelbarer Betroffenheit der AfD fehlt Eingriffsqualität

Darüber hinaus habe der VerfGH berücksichtigt, dass mit der Nachricht, die sich unter anderem gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze wendet, Grundpositionen der Regierungsarbeit angesprochen worden sein, die zum Wesensgehalt des Grundrechtsteils der Verfassung gehörten und dem Parteienstreit daher entzogen seien. Soweit die Antragstellerin von der Nachricht aufgrund ihres Kontextes mittelbar betroffen war, handelte es sich um einen bloßen Reflex des wertebezogenen Inhalts der Äußerung, dem die Eingriffsqualität fehlte.

VerfGH Bln

Redaktion beck-aktuell, 20. Februar 2019 (dpa).

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