Experten: Keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten
Der Referentenentwurf "für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung" sieht vor, die Hauptverhandlung künftig in Bild und Ton aufzuzeichnen und die Tonaufzeichnung mittels Transkriptionssoftware in ein Textdokument umzuwandeln. Der Entwurf gehe "von falschen Voraussetzungen aus", werde "zur Unzeit vorgelegt", kranke "an erheblichen, nicht nur empirischen Mängeln" und lasse grundlegende verfassungs- und europarechtliche Fragestellungen unbeachtet, so die Generalstaatsanwältinnen und -anwälte in ihrer Stellungnahme zu dem Entwurf. Videoaufnahmen würden nach Ansicht von Experten für die Erinnerung der Verfahrensbeteiligten keine weiteren Erkenntnisse bringen gegenüber Tonaufnahmen. Eine Transkription der Tonaufzeichnung mittels Software sei weder technisch hinreichend umsetzbar, noch löse sie das Problem von Meinungsverschiedenheiten über das Geschehene.
Videodokumentation kostspielig und aufwendig
"Ein nachvollziehbarer Anlass dafür, den deutschen Strafprozess zu revolutionieren und dabei etliche Verfahrensgrundsätze und Schutzmechanismen über Bord zu werfen, besteht aus Sicht der Staatsanwaltschaften nicht", sagte Fröhlich. Auch wäre eine digitale Dokumentation der Hauptverhandlung kostenträchtig sowie personal- und organisationsaufwendig. "Die abweisende Stellungnahme meiner Kolleginnen und Kollegen ist deshalb nur allzu verständlich."
Richterbund sieht praktische Probleme ohne überzeugende Lösungen
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sagte, der Entwurf werfe "gravierende rechtliche und praktische Probleme auf, für die er keine überzeugenden Lösungen findet". Würden die Pläne so umgesetzt, käme ein gewaltiger Mehraufwand auf die Gerichte zu. Strafprozesse, die schon heute im Schnitt so lange wie noch nie dauern, würden durch aufwendige Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten noch weiter in die Länge gezogen. Gegen eine Videoaufzeichnung der Verhandlung bestünden erhebliche Bedenken, auch weil Zeugen nach aller Erfahrung nicht mehr frei sprächen, sobald sie vor einer Kamera sitzen. Auch das Risiko einer Enttarnung von Zeugen, die zum Beispiel in Spionage- oder Terrorismusverfahren wirksam zu schützen seien, wäre bei Videobildern deutlich größer. "Mit dem Gesetzentwurf strebt das Bundesjustizministerium die wohl einschneidendste Veränderung des Strafverfahrens seit Jahrzehnten an", bilanzierte Rebehn.