Noch keine personenbezogenen Ermittlungsverfahren
Er zog Parallelen zum syrischen Bürgerkrieg, der 2011 begonnen hatte. Erst 2019 sei in Deutschland die erste Anklage erhoben worden. Bis zum ersten rechtskräftigen Urteil seien zehn Jahre vergangen. Zum Ukraine-Krieg gebe es "namentlich noch überhaupt keine personenbezogenen Ermittlungsverfahren", sagte Frank. Seine Behörde hatte im März sogenannte Strukturermittlungen eingeleitet. Dabei geht es darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte möglichst breit Beweise zu sichern. Frank schilderte, wie Fragebögen an ukrainische Flüchtlinge verteilt wurden, um Zeugen möglicher Kriegsverbrechen ausfindig zu machen. Gleichzeitig versuchen die Ermittler, auch die militärischen Strukturen zu durchleuchten, um beispielsweise die Verantwortlichen für den völkerrechtswidrigen Beschuss ziviler Einrichtungen zu identifizieren.
IStGH vorrangig zuständig
Sollten die Strafverfolger einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher in Deutschland ausfindig machen, bekäme nach Franks Angaben zuerst der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Bescheid. Falls dort nicht ermittelt werde, könnte es zur Anklage durch die Bundesanwaltschaft kommen. Dabei gehe es um mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vorwiegend von russischer Seite. Die Ermittlungen seien aber grundsätzlich offen angelegt - sie könnten sich also auch gegen Ukrainer richten, die sich schuldig gemacht haben. Sogenannte Verbrechen der Aggression blieben außen vor. Diese könnte der Generalbundesanwalt nur verfolgen, wenn ein Deutscher einen Angriffskrieg führen oder Deutschland selbst angegriffen würde. Es gibt inzwischen aber auch Forderungen, dies zu ändern.