Generalbundesanwalt: Ermittlungen zur Ukraine können Jahre dauern

Generalbundesanwalt Peter Frank dämpft die Hoffnung auf schnelle Erfolge bei der Strafverfolgung von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. "Bitte erwarten Sie nicht, dass wir morgen oder übermorgen irgendwelche Beschuldigte identifiziert haben", sagte Frank am Montagabend beim Jahrespresseempfang der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Im Völkerstrafrecht brauche man "einen langen Atem".

Noch keine personenbezogenen Ermittlungsverfahren

Er zog Parallelen zum syrischen Bürgerkrieg, der 2011 begonnen hatte. Erst 2019 sei in Deutschland die erste Anklage erhoben worden. Bis zum ersten rechtskräftigen Urteil seien zehn Jahre vergangen. Zum Ukraine-Krieg gebe es "namentlich noch überhaupt keine personenbezogenen Ermittlungsverfahren", sagte Frank. Seine Behörde hatte im März sogenannte Strukturermittlungen eingeleitet. Dabei geht es darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte möglichst breit Beweise zu sichern. Frank schilderte, wie Fragebögen an ukrainische Flüchtlinge verteilt wurden, um Zeugen möglicher Kriegsverbrechen ausfindig zu machen. Gleichzeitig versuchen die Ermittler, auch die militärischen Strukturen zu durchleuchten, um beispielsweise die Verantwortlichen für den völkerrechtswidrigen Beschuss ziviler Einrichtungen zu identifizieren.

IStGH vorrangig zuständig

Sollten die Strafverfolger einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher in Deutschland ausfindig machen, bekäme nach Franks Angaben zuerst der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Bescheid. Falls dort nicht ermittelt werde, könnte es zur Anklage durch die Bundesanwaltschaft kommen. Dabei gehe es um mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vorwiegend von russischer Seite. Die Ermittlungen seien aber grundsätzlich offen angelegt - sie könnten sich also auch gegen Ukrainer richten, die sich schuldig gemacht haben. Sogenannte Verbrechen der Aggression blieben außen vor. Diese könnte der Generalbundesanwalt nur verfolgen, wenn ein Deutscher einen Angriffskrieg führen oder Deutschland selbst angegriffen würde. Es gibt inzwischen aber auch Forderungen, dies zu ändern.

Gitta Kharraz, 12. Juli 2022 (dpa).