BGH prüft Anspruch auf Löschung eines Eintrags in einer Lost-Art-Datenbank

Der Bundesgerichtshof muss sich auf die Klage eines Kunstsammlers mit der Frage beschäftigen, ob ein Eintrag in einer Datenbank für potenzielles "NS-Raubgut" und eine Interpol-Fahndung Makel an einem Kunstwerk sind. Der Sammler sieht sich durch den Eintrag und die Fahndung in seinem Eigentum beeinträchtigt und begehrt Unterlassen. Hiermit war er in den Vorinstanzen gescheitert. Der BGH will sein Urteil am 21. Juli sprechen.

Jüdischer Kunsthändler verkaufte Bild 1937 nach Berufsverbot

"Wir sehen hier durchaus, dass der Kläger in einer misslichen Lage ist", sagte die Vorsitzende Richterin des fünften Zivilsenats des BGH, Bettina Brückner, bei der Verhandlung am 24.05.2023 (Az.: V ZR 112/22). Die "Kalabrische Küste" des Malers Andreas Achenbach (1815-1910), um die es in dem Fall geht, dürfte so schwer verkäuflich sein, räumte Brückner ein. 1935 hatte die Reichskammer der bildenden Künste gegen den jüdischen Kunsthändler Max Stern ein Berufsverbot verhängt, vollzog es aber nicht. 1937 verkaufte er das Küstengemälde an eine Privatperson in Essen, gab die Düsseldorfer Galerie auf und wanderte nach Kanada aus.

Kläger seit 1999 rechtmäßiger Eigentümer

Der Kläger erwarb das Bild 1999 im Rahmen einer Auktion in London. Dass er nach deutschem Recht der rechtmäßige Eigentümer sei, erklärte auch der Vertreter der Gegenseite, Anwalt Siegfried Mennemeyer, vor dem BGH. Die Gegenseite sind Treuhänder eines kanadischen Trusts, der Sterns Nachlass verwaltet. Der Kläger möchte, dass sein Eigentum nicht weiter bemäkelt wird, weil Stern das Gemälde womöglich unter Verfolgungsdruck der Nazis verkauft hatte. Die Treuhänder hatten eine Suchmeldung für das Bild auf der Internetseite der Lost-Art-Datenbank veröffentlichen lassen. Dort ist es seit 29.06.2016 vermerkt. "Verlustumstand gemeldet als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut", heißt es dazu.

Gemälde seit 2016 in Datenbank vermerkt und zur Fahndung ausgeschrieben

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg betreibt diese Datenbank, die Kulturgüter dokumentiert, die insbesondere jüdischen Eigentümern unter den Nationalsozialisten entzogen wurden – oder für die ein solcher Verlust nicht auszuschließen ist. Frühere Eigentümer beziehungsweise deren Erben sollen den Angaben zufolge mit heutigen Besitzern zusammengeführt und beim Finden einer gerechten und fairen Lösung über den Verbleib der Werke unterstützt werden. Im Rahmen einer Ausstellung in Baden-Baden erfuhr der Kläger von der Suchmeldung sowie von einer in Kanada veranlassten Fahndung nach dem Gemälde durch die kriminalpolizeiliche Organisation Interpol. Sollte er in Karlsruhe – wie schon in den Vorinstanzen – mit seinem Antrag auf Unterlassen scheitern, möchte er zumindest, dass die Treuhänder das Löschen der Suchmeldung in der Datenbank beantragen müssen.

Treuhänder-Vertreter verweist auf Datenbankbetreiber - dieser äußert sich nicht

Der Treuhänder-Vertreter Mennemeyer sagte, das Register sei dazu da, historische Tatsachen zu erfassen. Diese hätten seine Mandanten geliefert. "Nicht mehr und nicht weniger haben wir gemacht." Dabei gehe es nicht um Fragen des Eigentums. In Deutschland seien in der Datenbank gelistete Bilder durchaus auch lukrativ weiterverkauft worden, sagte er – räumte aber ein, dass das in Übersee anders aussehen könne. Um den Eintrag zu löschen, müsse sich der Kläger aus seiner Sicht an den Betreiber der Datenbank wenden. "Das ist nicht unsere Verantwortung", sagte Mennemeyer. Als Vertreter des Klägers entgegnete Wendt Nassall, die Liste habe einen konkreten Zweck: bei Eigentumsstreitigkeiten zu vermitteln. Für die Veröffentlichung sei das Einverständnis des Melders nötig – er könne den Eintrag also zurückziehen lassen. Den Kontakt zum Deutschen Zentrum Kulturgutverluste zu suchen, bezeichnete er als Umweg. Weil das Zentrum nicht Partei in dem Streit ist, äußerte es sich dazu nicht. Es sei aber nicht das erste Verfahren um Datenbank-Einträge.

Redaktion beck-aktuell, 25. Mai 2023 (dpa).