Gegen die Wirtschaftsflaute: Ampel legt 10-Punkte-Plan vor
© Kay Nietfeld / dpa

Die Bundesregierung will die deutsche Wirtschaft mit einem 10-Punkte-Plan unterstützen. Er basiert auf dem sogenannten Wachstumschancengesetz, das noch erweitert wurde, allerdings nicht um einen Industriestrompreis. 

Bei einer Klausurtagung auf Schloss Meseberg bei Berlin legten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag den Plan vor. Er sieht unter anderem steuerliche Entlastungen für Unternehmen von jährlich sieben Milliarden Euro bis 2028 und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vor. Der von der SPD-Bundestagsfraktion und den Grünen geforderte Industriestrompreis zur Abfederung der hohen Energiekosten kommt in dem Papier aber nicht vor.

Im Kern gehe es darum, "dass Investitionen jetzt getätigt und nicht aufgeschoben werden", sagte Scholz. Habeck beschrieb die wirtschaftspolitische Lage als anspruchsvoll. "Sie ist jedenfalls nicht so, dass man sagen kann: Wirtschaft macht die Wirtschaft und die Politik hält sich raus", betonte er. Die Angst: Dass Unternehmen zu wenig in ihre Zukunft und den Klimaschutz investieren und dass der Wohnungsbau noch weiter zurückgeht.

Neu: Mehr Abschreibungsmöglichkeiten für den Wohnungsbau

Mit zwei Wochen Verspätung soll am heutigen Mittwoch das sogenannte Wachstumschancengesetz beschlossen werden. Damals scheiterte es am Veto von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), die mehr Geld für ihre Kindergrundsicherung forderte. Inzwischen hat die Ampel sich auf Grundzüge der Kindergrundsicherung geeinigt.

Den Aufschub nutzten die Ministerien, um dem Gesetz ein Update zu verpassen. Neu: eine 500 Millionen Euro schwere Konjunkturspritze gezielt für den Wohnungsbau durch erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten. Das fördere eine schnellere Refinanzierung und soll dadurch Investitionsanreize setzen, die die Bauwirtschaft stabilisieren sollen. Auch die steuerliche Anrechnung von Verlusten wird noch einmal etwas ausgeweitet.

Linders Gesetz bildet den Kern des 10-Punkte-Plans der Ampel, der sonst viele Vorhaben enthält, die sich die Bundesregierung schon lange auf die Fahnen geschrieben hat. Dazu gehören der Ausbau der Stromproduktion aus Sonne und Wind, mehr Digitalisierung und die Anwerbung von Fachkräften.

Offenes Streitthema: Stromkosten für die Industrie

Die prekäre Wirtschaftslage und Rezepte zur Besserung dominieren inhaltlich die Klausurtagung. Viele Volkswirte erwarten auf das Gesamtjahr gerechnet inzwischen einen Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung. Von einer Gefahr der Deindustrialisierung ist die Rede. Der britische "Economist" fragte jüngst, ob Deutschland schon wieder der "kranke Mann Europas" sei. Die deutsche Wirtschaft erwartet nun ein klares Signal aus Meseberg. "Es muss jetzt im gesamten politischen Handeln die strategische Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes in den Mittelpunkt gestellt werden", forderte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.

Ob die Industrie dabei auf einen staatlich subventionierten Strompreis setzen kann, blieb am Dienstag zunächst offen. Bis zum Nachmittag hatten die Minister dieses Thema nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht einmal angeschnitten. Dabei sind die Gräben groß: Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warb am Dienstag noch einmal für seine Idee. Im ARD-"Morgenmagazin" warnte er vor Konsequenzen, falls diese Entlastung nicht kommt: "Ich sage nicht, dass die chemische Industrie, die Grundstoffindustrie dann morgen aus Deutschland verschwindet. Aber sie werden dann nicht in den Standort weiter investieren und perspektivisch dann Deutschland verlassen."

Die FDP lehnt die Subvention ab, Scholz ist ebenfalls skeptisch. Die Grünen sind hingegen dafür, und auch Scholz' SPD-Fraktion beschloss am Montag ein Konzept für einen Industriestrompreis. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht.

Scholz ruft zu besserer Kommunikation auf

Scholz wird hoffen, dass diese nächste zu erwartende Auseinandersetzung leiser verläuft als die letzte. Vor Beginn der Klausur rief er seine Minister erneut zu besserer Kommunikation auf. "Wir haben eine sehr erfolgreiche Leistungsbilanz im letzten und diesem Jahr und es wäre natürlich gut, wenn alle mit ihren Kommunikationsstrategien dazu beitragen", sagte er.

Die Klausur auf Schloss Meseberg rund 50 Kilometer nördlich von Berlin ist die fünfte in der nun schon fast zweijährigen Regierungszeit des Kabinetts von SPD, Grünen und FDP. Diesmal ist die Ausgangslage besonders düster.

In den Umfragen sind die drei Koalitionsparteien zusammen inzwischen weit von einer Mehrheit entfernt. 69 Prozent der Deutschen trauen der Regierung einer aktuellen Umfrage des Instituts YouGov zufolge nicht zu, die drängenden Probleme des Landes zu lösen. An die von Scholz angestrebte Wiederwahl seiner Ampel-Koalition bei der Bundestagswahl 2025 glauben nur noch 18 Prozent.

Redaktion beck-aktuell, Michael Fischer und Theresa Münch, 30. August 2023 (dpa).

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