Hochkompliziert und komplex: Innenausschuss streitet um Asylreform

Im Innenausschuss des Bundestages wurden zwei Gesetzesentwürfe der Bundesregierung zur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) diskutiert. Die Meinungen gingen weit auseinander.

In der Diskussion geht es um das sogenannte GEAS-Anpassungsgesetz (21/1848) und das GEAS-Anpassungsfolgegesetz (21/1850). Als Zielstaat von Sekundärmigration sind für Deutschland insbesondere die umfassende Registrierung nach der Eurodac-Verordnung sowie funktionierende Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wichtig. Die Einführung des Asylverfahrens an der Grenze sowie des Rückkehrverfahrens an der Grenze stellen Neuerungen im Vergleich zum bisherigen System dar, die eine besonders schnelle Durchführung von Asylverfahren bei denjenigen Person ermöglichen, bei denen eine Zuerkennung von Schutz unwahrscheinlich ist.

Es sei eine Herkulesaufgabe, das dicke Paket europäischer Normen ins deutsche Recht zu transferieren, so Professor Andreas Dietz, Vorsitzender Richter am VG Augsburg. Die EU-Normen seien komplex und ihr Zusammenspiel untereinander hochkompliziert. Der Entwurf stelle eine gute Grundlage dar, es bestehe aber Nachsteuerungsbedarf. Dieser Nachsteuerungsbedarf werde sich oft allerdings erst in der tatsächlichen Anwendung ab Sommer 2026 zeigen.

Problem der Sekundärmigration bleibt

Der Anlass für die umfangreiche Neugestaltung durch GEAS sei die Erfahrung, dass sich die Antragsteller nicht im für sie zuständigen Staat aufhielten, so Professor Hansjörg Huber von der Hochschule Zittau/Görlitz. Die Sekundärmigration in der EU sei aber bisher nicht auf das Fehlen rechtsverbindlicher Normen zurückzuführen, sondern auf eine fehlende Umsetzung durch die Mitgliedstaaten.

Johann Friedrich Killmer, Deutscher Städtetag, bewertete GEAS als wichtigen Schritt zur besseren Steuerung der Migration in Europa. Dennoch bestehe weiterer Reformbedarf. Er verwies auf direkte Auswirkungen auf Rathäuser, Schulen, Kitas und Wohnquartiere. GEAS müsse rechtlich verlässlich und praktisch umsetzbar sein und dürfe nicht dazu führen, dass es zu mehr Bürokratie und umständlichen Abfragen komme. Derzeit sei diese Gefahr leider gegeben. Insbesondere die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung übernehme grundlegende Probleme der Dublin III-Verordnung.

Die europäische Zusammenarbeit sei im ureigensten deutschen Interesse, so Professor Thym von der Universität Konstanz. Um Asylpolitik nachhaltig zu steuern, müssten nationale, europäische und internationale Maßnahmen ineinandergreifen. Thym sieht in der GEAS-Gesetzgebung einige Verbesserungen, um die teils tiefsitzenden Defizite bei der Migrationssteuerung im Schengenraum und darüber hinaus zu mildern. Dennoch könne die GEAS-Reform nicht das Ende sein.

Bürokratische Herausforderungen erwartet

Viele der Experten sehen in den Gesetzesentwürfen die Gefahr eines neuen "Bürokratie-Monsters". Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, sieht in der Umsetzung des GEAS eine große Herausforderung für alle beteiligten Behörden. Es müssten neue Verfahren implementiert werden, neue Dienstanweisungen geschrieben werden und neue IT-Systeme entwickelt werden. Deshalb sei es richtig, dass sich die Gesetzesentwürfe im Kern auf eine Eins-zu-Eins-Umsetzung beschränkten, so Sommer. Vor allem müsse der bürokratische Aufwand verringert werden.

Finn-Christopher Brüning vom Deutschen Städte- und Gemeindebund und vom Deutschen Landkreistag bewertet die Reform als "gut gemeint", sieht sie in der Praxis aber als ungenügend an. Es entstünde ein hoher bürokratischer Aufwand, aber es käme zu wenigen Entscheidungen. Der Vollzug des Asylgesetzes sei zu schwer; es würde eine zusätzliche Arbeitslast in den Ausländerbehörden entstehen, die kaum zu bewältigen sei. Brüning befürchtet, dass der geplante Solidaritätsmechanismus zu Lasten Deutschlands und seiner Kommunen gehen werde.

Professor Constantin Hruschka von der Evangelischen Hochschule Freiburg bezeichnet den Gesetzesentwurf sogar als unlesbar. Deutschland steuere auf eine Phase zu, in der die Gesetzesanwendung auf allen Ebenen sehr kompliziert sei. Das betreffe Behörden, Gerichte und die rechtliche Unterstützung der betroffenen Personen. Hruschka erwartet eine Art vorprogrammiertes Chaos; zumindest in der ersten Umsetzungsphase.

Risiko, Menschenrechte zu verletzen

Laut Sophia Eckert von Handicap International schützen die Gesetzesentwürfe Geflüchtete mit Behinderungen nicht ausreichend. Schutzzusagen für vulnerable Personen würden weitgehend fehlen. Eckert sieht in dem Gesetzesentwurf einen massiven Rückschritt für den Flüchtlingsschutz in Europa.

Annika Fischer-Uebler vom Deutschen Institut für Menschenrechte sieht das Risko, dass Menschenrechte von Schutzsuchenden und Migrantinnen und Migranten verletzt werden. In dem Entwurf würden die europarechtlichen Spielräume zugunsten von Schutzsuchenden nicht ausreichend berücksichtigt. Die Möglichkeiten, die Rechte Geflüchteter zu beschränken, würden aber weitgehend ausgeschöpft. Besonders kritisch sieht Fischer-Uebler die drohende Zunahme von Freiheitsbeschränkungen und Inhaftierungen.

Redaktion beck-aktuell, kw, 4. November 2025.

Mehr zum Thema