Kann man einen Gaming-Account vererben?
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Computerspiele werden heute vielfach online über Gaming-Plattformen erworben. Doch was passiert, wenn der Inhaber verstirbt? Dürfen die Erben weiterzocken? Auf welchem Level? Oder ist der Account nach dem Tod des Inhabers weg? Eine Einschätzung von Prof. Dr. Susanne Lilian Gössel.

Was geschieht mit dem Spiel-Account, wenn der Inhaber oder die Inhaberin verstirbt? Ist es möglich, dass der Anbieter sich vorbehält, den Account im Todesfall zu schließen und kann er zugleich wirksam vorschreiben, dass Passwörter und sonstige Zugangsdaten auch im Todesfall nicht geteilt werden dürfen? Beides wird aktuell z.B. von der Gaming-Plattform Steam auch so an die User kommuniziert.

Tatsächlich ist die Rechtslage in vielen  Einzelfragen unklar, so dass die Anbieter diese Unsicherheit zu ihren Gunsten ausnutzen können. Der BGH entschied vor mehr als sechs Jahren nur in einem Fall zum "digitalen Nachlass" (Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17, Rn. 25) und beschäftigte sich damals nur mit der Praxis der Social-Media-Plattform Facebook. Doch eine genaue Analyse der Entscheidung zeigt, dass das Vorgehen von Steam nicht in Einklang mit dem deutschen Recht steht.

In seiner Entscheidung  beschäftigte sich der III. Zivilsenat  mit der Frage, wie mit Facebook-Konten zu verfahren ist, wenn der Kontoinhaber verstirbt und die Erben des Erblassers Zugriff auf den Account haben möchten. Eingebürgert hat sich der Begriff des "digitalen Nachlasses", um allgemein Online-Accounts verschiedenster Art zu umfassen, etwa Social Media-, E-Mail- und Messenger-Accounts – oder eben, wie in letzter Zeit erneut heiß diskutiert: Accounts zu Gaming-Plattformen wie Steam.

In der Entscheidung skizziert das Gericht erste Eckpunkte, wie allgemein mit Online-Accounts nach dem Tod des Accountinhabers umzugehen ist. Die anhaltende Diskussion zeigt, dass die BGH-Entscheidung von der Praxis als deutlich weniger abschließend angesehen wird, als dies etwa die 2020 amtierende Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP noch dargestellt hatte.

Der Grundsatz der Universalsukzession und seine Ausnahmen

In der genannten Entscheidung stellte der BGH klar, dass der Grundsatz der Universalsukzession auch im Online-Account-Bereich gilt. Der Zugang zum Account zählt zum Vermögen, welches nach § 1922 BGB auf die Erben übergeht. Mit anderen Worten: Wenn es keine andere Vereinbarung gibt, geht die Stellung im Accountvertrag auf den (oder die) Erben über. Die Erben haben damit Anspruch auf Zugang zum Account des Erblassers.

Bezogen auf die einzelnen Spiele, die dann – im Fall Steam – über diesen Zugang genutzt werden können, muss man danach unterscheiden, ob nur ein Zugang oder auch eine Nutzungsmöglichkeit besteht.

Bei bereits erworbenen Spielen gehen die bestehenden Verträge auf den Erben über. Nicht ganz klar ist, ob das Spiel vom Erben dann schlicht fortgeführt werden kann, er also etwa auf den Spielständen des Erblassers aufbaut und in dessen Stellung im Spiel einrückt. Das wäre der Fall, wenn die Nutzung ein Vermögenswert im Sinn von § 1922 BGB ist und daher im Weg der Erbfolge übergeht. Ausgeschlossen wäre es hingegen, wenn es sich um eine nichtvermögensrechtliche, höchstpersönliche Position handelt, die quasi an der Person des Erblassers "klebt" und daher mit seinem Tod untergeht (wie z.B. das Namensrecht laut BGH, Urteil vom 05. 10. 2006 - I ZR 277/03).

Der BGH hat im Facebook-Fall die Höchstpersönlichkeit bejaht bezogen auf vom Nutzer geschaffene Inhalte, wobei es damals um die Posts ging, die die verstorbene Teenagerin verfasst hatte. Ausdrücklich bezog er sich aber nicht auf die Pflicht von Facebook, Inhalte zu übermitteln und zugänglich zu machen. Diese Pflicht sei vielmehr rein technisch und beinhalte nichts Höchstpersönliches, was nur gegenüber der verstorbenen Nutzerin erfüllt werden könnte. Da die Pflicht nicht höchstpersönlich ist, ging der Anspruch hierauf daher auf die Erben über.  Die Eltern hatten daher – wie auch die zweite BGH-Entscheidung in diesem Fall bestätigte (Beschluss vom 27. 08. 2020 – III ZB 30/20) – Anspruch darauf, den Account wie die Erblasserin zu nutzen und jedenfalls die Nachrichten zu lesen. Der Eingriff in die Datenschutzrechte der Chatpartnerinnen war gerechtfertigt.

Wie sieht es mit Gaming-Accounts aus?

Bei Spielen kann man im Regelfall davon ausgehen, dass die Nutzung des Spiels eine vermögenswerte Leistung darstellt und keine höchstpersönliche, auch was die vom Nutzer bereits "erarbeiteten" Spielstände betrifft. Auch wenn es inzwischen viele Individualisierungsmöglichkeiten bei Spielen gibt, bewegen diese sich im Rahmen des vom Spielbetreiber Vorgegebenen. Es steht daher regelmäßig keine besondere, persönliche Individualität im Vordergrund, die wiederum die Leistung des Anbieters zu einer höchstpersönlichen werden ließe.

Daher können auch die Erben mit dem Punktestand des Erblassers weiterspielen und auf dessen Spielergebnissen aufbauen. Nur wenn es ausnahmsweise bei Spielen darum ginge, dass die Nutzerinnen und Nutzer ihrer Oberfläche eine sehr individuelle Prägung geben, könnte man eine solche höchstpersönliche Leistung ausnahmsweise bejahen. Im Regelfall sieht dies aber anders aus.

In einer Folgeentscheidung, bei der es um die Vollstreckung des Zugangsrechts ging, bestätigte der BGH (Beschluss vom 27.08.2020 – III ZB 30/20) diese Linie bezogen auf Facebook: Es reicht nicht aus, die verlangten Daten auf einem USB-Stick zu übersenden, Meta muss den  Erben und Erbinnen Zugang wie der Erblasserin ("originaltreu") gewähren.

Im Urteil wurde auch die Frage aufgeworfen, ob die DS-GVO zugunsten der Chat-Partner der Verstorbenen eine Herausgabe des Kommunikationsverkehrs sperre. Der BGH ging aber davon aus, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO eine Herausgabe der Daten zulässig sei. Richtig ist wohl, dass eine Einzelfallabwägung erforderlich ist, die insbesondere dann einer Herausgabe entgegenstehen kann, wenn die Kommunikationspartner minderjährig sind. Der BGH scheint anzunehmen, dass die Interessen der Erben stets überwiegen. § 4 TDDDG reflektiert diese Wertung für das deutsche Recht.

Das Facebook-Urteil: Gedenkstatus nicht wirksam vereinbart

In der BGH-Entscheidung hatte Facebook die Seite in einen "Gedenkstatus" versetzt, der es den Erben nicht ermöglichte, den Account wie ein Accountinhaber einzusehen. Dabei wollten die Eltern des Teenagers vor allem interne Daten wie Chat-Nachrichten ihrer Tochter einsehen, um Rückschlüsse auf die Todesursache zu ziehen  und damit  gegebenenfalls Schadensersatzansprüche abzuwehren.

Der BGH musste sich damit auseinandersetzen, ob dieser "Gedenkstatus" wirksam eingerichtet werden durfte. Das Gericht ging nicht davon aus, da keine wirksam einbezogene Vereinbarung mit dem Nutzer vorlag: Die AGB enthielten keine Vereinbarung. Nur auf der "Hilfeseite" von Facebook befand sich ein Hinweis über das Schicksal des Accounts bei Versterben. Da diese Hilfeseite aber nicht bei Vertragsschluss vorgelegt wurde, wurde sie nicht wirksam gemäß § 305 Abs. 2, 3 BGB einbezogen.

Der Senat führte hilfsweise noch aus, dass auch eine entsprechende AGB-Vereinbarung unwirksam gewesen wäre, da der Gedenkstatus das Recht der Erben aus § 1922 BGB derartig aushöhle, dass eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung im Sinn des § 307 Abs. 2, 3 BGB vorläge.

Wirksame Vereinbarung möglich?

Der BGH schloss damit nicht aus, dass die Parteien andere, insbesondere Individualvereinbarungen treffen und damit § 1922 BGB einschränken können, abhängig davon, ob auf Seiten des Anbieters wiederum ein berechtigtes Interesse an der Einschränkung bestünde. Eine wirksame Vereinbarung per AGB, welche praktisch die Regel ist, hängt von der konkreten Vertragsausgestaltung und Vertragsart und einer Abwägung im Rahmen von § 307 Abs. 1, 2 BGB ab. Eine Vereinbarung mit dem Gamer, dass der Account im Todesfall nach Ablauf einer verhältnismäßigen Frist deaktiviert werden kann, ist zulässig. Denn auf Anbieterseite besteht ein Interesse daran, unter den Accounts "aufräumen" zu können.

Umgekehrt ist es (wohl) nicht zulässig, den Account ab dem Todeszeitpunkt zu sperren oder sofort zu löschen, insbesondere ohne die Erben vorher hierüber zu informieren. Denn dies würde den Erben und Erbinnen den Zugriff vollends versagen – und damit wiederum deren Recht aus § 1922 BGB aushöhlen.

Ein Sonderkündigungsrecht aufgrund des Todesfalls ist andererseits interessengerecht und daher regelmäßig zulässig. Ebenso zulässig sind Ausgestaltungen, wonach der Nachweis der Erbenstellung etwa von der Vorlage des Erbscheins abhängig gemacht werden darf. Die Hürden dürfen aber nicht zu hoch und kompliziert sein, um die Erbenstellung nicht auf formalem Weg zu gefährden.

Wie kommen die Erben an die Daten?

Doch wie erfahren die Erben überhaupt von dem Account und den Zugangsdaten, um ihre Rechte auch wahrnehmen zu können? In den AGB von Steam sieht Valve, der Anbieter, ausdrücklich vor, dass die Nutzungsdaten nicht weitergegeben werden dürfen ("Sie dürfen Ihr Passwort oder Ihr Konto nicht offenlegen, weitergeben oder es anderen Personen anderweitig gestatten, Ihr Passwort oder Ihr Konto zu nutzen.", unter 1 C).

Dieser Vorbehalt ist nicht per se AGB-widrig, da es im berechtigten Interesse des Anbieters liegt, einen Ein-Personen-Account auch nur von einer Person nutzen zu lassen. Missbrauchsgefahren werden erhöht, je mehr Personen faktisch Zugriff auf den Account haben.

Das Verbot, die Daten weiterzugeben, erfasst aber nicht den Todesfall des Accountinhabers (bzw. muss die Klausel im Zweifel entsprechend gelesen werden, vgl. § 305a Abs. 2 BGB). Denn im Todesfall treten die Erben gemäß § 1922 BGB an die Stelle des Erblassers. Sie sind damit keine "anderen Personen", sondern diejenigen, die das Recht auf Accountzugang haben. Sollte der Accountinhaber sein Passwort also für den Todesfall hinterlegt haben, damit ein Zugriff erleichtert wird, fällt diese "Offenlegung" der Daten nicht unter die oben zitierte AGB.

Würde der Anbieter einen Ausschluss dergestalt vereinbaren, dass auch im Todesfall die Zugangsdaten absolut nicht an die Erben weitergegeben werden können, wäre das AGB-widrig gemäß § 307 Abs. 1, 2 BGB: Denn ohne Zugang besteht faktisch keine Möglichkeit, den Account zu nutzen. Damit würde erneut das Recht der Erben in unzumutbarer Weise aushöhlt, ihre Rechte aus § 1922 BGB wahrzunehmen.

Die Autorin Prof. Dr. Susanne Lilian Gössl  LL.M. (Tulane) ist Inhaberin des Lehrstuhl für deutsches, ausländisches und Internationales Privatrecht und das Recht der Digitalisierung an der Universität Bonn. 

Prof. Dr. Susanne Lilian Gössl, 13. August 2024.