Im Kern dreht sich der Fall um einen viel diskutierten Instagram-Beitrag des Fußball-Profis von Real Madrid rund um den Fastenmonat Ramadan. In dem Beitrag hatte der praktizierende Muslim Rüdiger ein Foto von sich im weißen Gewand auf einem Gebetsteppich gepostet. Der Zeigefinger seiner rechten Hand zeigt in den Himmel. "Möge der Allmächtige unser Fasten und unsere Gebete annehmen", schrieb der 31-Jährige als Gruß zum Ramadan.
Reichelt, der schon seit längerem für das Portal "Nius" in verantwortlicher Position arbeitet, war überzeugt, dass Rüdiger mit dem erhobenen Zeigefinger eine islamistische Geste zeigt und verfasste entsprechende Internet-Posts. Der Abwehrspieler konterte, dass er sich nicht als Islamist verunglimpfen lassen wolle und erstattete Anzeige wegen Beleidigung und Volksverhetzung. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) meldete die Angelegenheit zudem bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M.
Die Staatsanwaltschaft Berlin führte aus, dass eine Strafbarkeit wegen Beleidigung beziehungsweise übler Nachrede oder Verleumdung nicht gegeben sei. "Die Posts stellen keine Tatsachenbehauptungen, sondern – wie sich aus dem Gesamtkontext ergibt – bloße Werturteile dar." Auch in Abwägung mit der Freiheit der Meinungsäußerung könne kein hinreichender Tatverdacht bejaht werden. Auch den Vorwurf der Volksverhetzung sehen die Ermittler nicht als erfüllt an.
Typische Geste bei Muslimen und Teil des Gebets
Der gestreckte Zeigefinger symbolisiert den Glauben an den einen und einzigartigen Gott ("Tauhid"). Das Zeichen ist der sichtbare Ausdruck des islamischen Glaubensbekenntnisses, in dem bezeugt wird, dass es neben dem einen Gott ("Allah") keine anderen Götter gibt (Monotheismus). Das Bundesinnenministerium hatte im Frühjahr rund um die Debatte zu dem Fingerzeig mitgeteilt: "Der sogenannte Tauhid-Finger gilt im Islam als Symbol der Einheit und Einzigartigkeit Gottes. Die Geste ist unter Musliminnen und Muslimen auf der ganzen Welt verbreitet."
Nach Einschätzung des Ministeriums ist der Tauhid-Finger als Glaubensbekenntnis zu verstehen und insofern mit Blick auf die öffentliche Sicherheit als unproblematisch einzuordnen. "Dies gilt unabhängig von der Tatsache, dass islamistische Gruppen dieses Symbol vereinnahmen und für ihre Zwecke missbrauchen."
Insofern könne das Zeigen des Tauhid-Fingers in "bestimmten Kontexten als Zeichen einer salafistischen beziehungsweise islamistischen Radikalisierung angesehen werden, wenn Akteure sich bewusst dieser Mehrdeutigkeit bedienen." Hier komme es auf die Betrachtung im Einzelfall an.