Führerscheinentzug nach unverschuldetem Unfall bei Trunkenheit ist rechtens

Die Fahrerlaubnisbehörde darf auch dann wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung nicht geahndet worden ist. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die Fahrerlaubnisentziehung sei rechtens, wenn mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Fahrer betrunken war, so die Begründung des Gerichts.

Entzug der Fahrerlaubnis nach Trunkenheitsfahrten

Wegen zwei Trunkenheitsfahrten in den Jahren 2008 und 2009 war dem Kläger jeweils die Fahrerlaubnis entzogen worden. Aufgrund eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde ihm im Juni 2016 die Fahrerlaubnis wieder erteilt. 2017 wurde der Kläger schließlich mit seinem Auto unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt. Die festgestellte BAK von 1,04 Promille schob er auf einen Nachtrunk. Das gegen ihn eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde daraufhin eingestellt und der Vorgang an die Bußgeldstelle abgegeben. Ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wurde und wie es gegebenenfalls endete, konnte jedoch nicht festgestellt werden, da der Vorgang bei der Bußgeldstelle aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht wurde. Im Jahr 2019 forderte der beklagte Landkreis vom Kläger gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) – also wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss – die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Weil der Kläger das Gutachten nicht beibrachte, entzog ihm der Landkreis die Fahrerlaubnis.

Taugliche Rechtsgrundlage fraglich

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße gab der Anfechtungsklage des Klägers statt. Diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz geändert und die Klage abgewiesen. Der vom Beklagten als Rechtsgrundlage angeführte § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV (… wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss …) rechtfertige die Beibringungsaufforderung allerdings nicht. Für die Anwendung dieser Vorschrift genüge nicht jeder Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift; er müsse straf- oder bußgeldrechtlich geahndet worden sein. Daher könne sich der Landkreis nicht auf den Vorfall aus dem Jahr 2017 stützen. Stattdessen finde die Aufforderung an den Kläger, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, die erforderliche Rechtsgrundlage jedoch im Auffangtatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV (… sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen …). Solche Tatsachen ergäben sich hier daraus, dass der Kläger im Juli 2009 ein Kraftfahrzeug mit einer BAK von 1,48 Promille geführt habe und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Außerdem sei bei ihm nach dem Verkehrsunfall vom 01.09.2017 eine BAK von 1,04 Promille festgestellt worden. Der vom Kläger behauptete Nachtrunk sei eine unglaubhafte Schutzbehauptung; er habe hierzu keine substantiierten und schlüssigen Angaben gemacht.

BVerwG: Auffangtatbestand nicht zu bemühen

Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des OVG hätten die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV vorgelegen. Eine Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss im Sinne dieser Vorschrift sei auch dann gegeben, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Trunkenheitsfahrt ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist, aber mit hinreichender Gewissheit feststeht, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat und sie in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar ist. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt gewesen. Dass das OVG die Behauptung des Klägers, er habe den Alkohol erst nach Beendigung der Fahrt zu sich genommen, nicht als glaubhaft angesehen hat, sei nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Tilgungsfristen für geahndete Zuwiderhandlungen hätten auch gegen die Verwertung der Trunkenheitsfahrt vom 01.09.2017 keine Bedenken bestanden.

BVerwG, Urteil vom 07.04.2022 - 3 C 9.21

Miriam Montag, Redaktion beck-aktuell, 8. April 2022.