Diplomatin wirft Deutschland "Vertrauensbruch" vor
"Wir finden, es ist ein Vertrauensbruch", sagte eine Diplomatin über das deutsche Vorgehen. Die Verhandlungen hätten in gewohnter Manier stattgefunden, Einwände hätten früher eingebracht werden können - und die deutschen Bedenken seien berücksichtigt worden. "Man würde sich wünschen, dass die koalitionsinternen Streitigkeiten vorher ausgetragen werden." In Zukunft werde man sich immer fragen, "was ein Abkommen mit Deutschland überhaupt noch wert ist". Womöglich würden auch andere Länder auf die Idee kommen, sich ebenso zu verhalten. Ihr Fazit: "Das ist alles höchst bedenklich."
Einigung für Verbrenner-Aus bereits im Oktober
Denn eigentlich sollte schon seit dem 07.03.2023 beschlossen sein, wovon Politiker, Autobauer und andere Beobachter ohnehin seit Monaten ausgegangen waren: dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Darauf hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Oktober geeinigt. Im November bestätigten die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten das Verhandlungsergebnis mit deutscher Zustimmung und das Europaparlament segnete es Mitte Februar ab.
FDP pocht auf Ausnahme für private Neuwagen mit E-Fuels
Erst Ende Februar, rund eine Woche vor der geplanten Abstimmung, äußerte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing via "Bild" plötzlich Bedenken - und drohte in der Zeitung damit, dem Ergebnis nach monatelanger Verhandlung nicht zuzustimmen. Seitdem betonen Wissing und FDP-Chef Christian Lindner immer wieder, dass die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten müsse, wie nach 2035 noch private Neuwagen zugelassen werden können, die klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels tanken. Die FDP argumentiert vor allem, dass für eine klimaneutrale Mobilität alle technologischen Optionen offengehalten werden müssen. Mit E-Fuels können Verbrenner theoretisch klimafreundlich betrieben werden, ihre Herstellung ist aber verhältnismäßig energieintensiv.
Ausnahme greift aus EU-Sicht nur für Sonderfahrzeuge
Auf Druck der FDP hatte die Bundesregierung bereits im Sommer 2022 einen Zusatz in das geplante Gesetz hineinverhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag zu CO2-neutralen Kraftstoffen vorlegen soll. In der Brüsseler Behörde ist man allerdings der Ansicht, dass dieser nicht auf Privatwagen, sondern nur auf Sonderfahrzeuge wie Feuerwehrautos abzielen kann. Und so blockiert die Bundesregierung derzeit das fertig verhandelte Gesetz - zusammen mit Polen, Italien und Bulgarien.
Vorhaben auf unbestimmte Zeit verschoben
Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Es hätte ausreichend Möglichkeiten gegeben, eigene Wünsche einzubringen, betonten mehrere Diplomaten. Im Sommer etwa, als die EU-Staaten ihre Verhandlungsposition abstimmten. Oder später, als die Gespräche mit dem Parlament liefen. Aber jetzt Bedenken anzumelden – "das ist ziemlich ungewöhnlich", sagt ein EU-Diplomat. Die anderen Länder seien sehr überrascht gewesen, sagt eine andere Diplomatin. Wieder andere Vertreter von Mitgliedstaaten in Brüssel äußern sich weitaus weniger diplomatisch über das Vorgehen, das vor allem der FDP zur Last gelegt wird.
Streit in der Ampel
Dabei ist sich die Ampel-Koalition selbst nicht einig. Die FDP und auch SPD-Kanzler Scholz sehen die Kommission am Zug. Das grün geführte Umweltministerium kritisiert dagegen die Blockade des Verkehrsministeriums. Ministerin Steffi Lemke warnt: "Deutschland sollte im Kreis der EU-Partner ein verlässlicher Partner bleiben." Doch der Schaden ist längst angerichtet. Die Vize-Regierungschefin Spaniens, Teresa Ribera, warnte kürzlich vor Szenarien, in denen andere Regierungen bei anderen Themen ähnlich vorgehen könnten. Ein weiterer EU-Diplomat sagte, solch ein Verhalten erwarte man von der ungarischen Regierung unter Viktor Orban, Deutschland habe in der EU jedoch eine besondere Verantwortung.