Freispruch für Millionär in slowakischem Journalistenmord-Prozess

Mit Schuldsprüchen für die unmittelbaren Mörder, aber einem überraschenden Freispruch für den vermuteten Drahtzieher hat der slowakische Journalistenprozess am 03.09.2020 ein umstrittenes Ende gefunden. Der Unternehmer Marian Kocner wurde zwar des illegalen Waffenbesitzes schuldig gesprochen. Dass er den Mord am Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak bestellt und bezahlt habe, erachtete das Gericht aber nicht für bewiesen.

Auftrag Kocners für Mord an Journalisten Kuciak und dessen Verlobter nicht erwiesen

Auch der Angeklagten Alena Z. habe nicht zweifelsfrei bewiesen werden können, dass sie in Kocners Auftrag den Mord organisiert habe, so das Gericht weiter. Die Staatsanwaltschaft kann gegen das Urteil noch Berufung einlegen. In dem Prozess ging es um die Ermordung des Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova am 21.02.2018. Die beiden 27-Jährigen wurden in ihrem Haus erschossen.

Mordopfer berichtete zuvor über zwielichtige Geschäfte des Millionärs

Angeklagt waren der Unternehmer Kocner als mutmaßlicher Auftraggeber des Mordes sowie Alena Z. als mutmaßliche Organisatorin und ein nun als Mittäter schuldig gesprochener Ex-Polizist. Der Todesschütze und ein weiterer Mittäter hatten bereits zuvor Geständnisse abgelegt. Kuciak hatte über zwielichtige Geschäfte des Millionärs Kocner berichtet, aber auch über andere Verfilzungen von Politik und Geschäftemacherei geschrieben. Eine erst nach seinem Tod veröffentlichte Reportage löste Massendemonstrationen gegen Korruption aus und führte zum Rücktritt der damaligen Regierung.

Menschenrechtsausschuss kritisiert Urteil

Das Urteil ist international auf Kritik gestoßen. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen, sagte, die Entscheidung sei ein "Schlag ins Gesicht" für alle Journalisten, die in der Slowakei unter Einsatz ihres Lebens die Mächtigen und die Einflussreichen zur Verantwortung ziehen würden. Es sei davon auszugehen, dass das Vertrauen der Zivilgesellschaft in den Rechtsstaat damit "erneut tief erschüttert" werde.

Journalisten sehen "verheerendes Signal"

Der Deutsche Journalisten-Verband sprach von einer skandalösen Justizposse. "Die Konsequenz aus dem Urteil lautet: ein Auftragsmord ohne Auftraggeber", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Der Richterspruch sende ein verheerendes Signal für alle investigativ recherchierenden Journalistinnen und Journalisten in Staaten mit ungefestigten Rechtsstrukturen. Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigte sich schockiert über den Freispruch für den Millionär. "Das Gericht hat die Chance verpasst, ein dringend nötiges Zeichen gegen Straflosigkeit und mafiöse Strukturen in Staat und Gesellschaft der Slowakei zu setzen", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. Es sende ein "verheerendes Signal" an an alle Journalisten, die unter großen persönlichen Risiken über korrupte und kriminelle Machenschaften berichteten.

Weitere Reaktionen

Enttäuscht und schockiert zeigte sich auch die britische Menschenrechtsorganisation Article 19. Die aus der Slowakei stammende FDP-Bundestagsabgeordnete Renata Alt forderte, der Fall müsse vor dem Obersten Gericht in Bratislava neu aufgerollt werden. Die Vorsitzende der Parlamentariergruppe Slowakei-Tschechien-Ungarn erinnerte daran, dass der Mord an Kuciak für viele Slowaken ein Weckruf gewesen sei, der in massenhaften Protesten für mehr Bürgerrechte und Transparenz gipfelte.

Redaktion beck-aktuell, 3. September 2020 (dpa).