Frankreichs neuer Bildungsminister Gabriel Attal hat die Abayas in Schulen per Erlass verboten, ebenso den entsprechenden Überwurf für Männer, den Qamis. Dabei stützt er sich auf das Verbot sichtbarer religiöse Symbole an Schulen, das in dem laizistischen Frankreich schon seit langem gilt.
In den letzten Monaten hätten Verstöße gegen die Laizität an Schulen stark zugenommen, sagte Attal. Von rund 4.700 Fällen im vergangenen Schuljahr war die Rede, häufig sei es um Abayas gegangen. Schon eine Weile sind die Gewänder Diskussionsstoff in Frankreich. Eine entschiedene Antwort sei nötig, befand nun der vor den Ferien an die Spitze des Bildungsressorts gerückte Attal, der zuvor beigeordneter Haushaltsminister und Regierungssprecher war: "Die Abaya hat in unseren Schulen keinen Platz." Volle Rückendeckung erhielt er dabei von Präsident Emmanuel Macron.
Zum Schuljahresstart will die Regierung zunächst auf Dialog setzen, was das neue Verbot angeht, hieß es in dem Erlass. Mit Schülerinnen und Familien werde geredet, sagte auch Macron. Danach aber drohen Disziplinarmaßnahmen - welche genau, wird nicht präzisiert.
Kleidungsstück oder religiöses Symbol?
Aber geht das nicht alles zu weit, macht die Regierung da nicht jungen Frauen Bekleidungsvorschriften? Und ist die Abaya zwingend ein religiöses Symbol oder schlicht ein Kleidungsstück? Das sind die Fragen der Kritiker. Befürworter halten dagegen, dass es darum gehe, religiös motivierte Kleidung in der Schule nicht zu normalisieren, um eine schleichende Indoktrinierung zu vermeiden.
Die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft ID-FO, Agnès Andersen, hält das für übertrieben. Das Kleid habe anders als das Kopftuch keinen religiösen Ursprung, selbst wenn Salafisten dazu ermunterten, so etwas zu tragen, sagte sie im Juni der Zeitung "Le Parisien". Am Ende zähle die Absicht der jungen Mädchen. Bei einigen könne der Glaube eine Rolle spielen. Andere wollten ihre Rundungen verdecken, die Freundin nachmachen oder fänden die lange Tunika schön und preiswert.
Von Teilen der Opposition bezieht Macrons Mitte-Regierung Kritik für den Erlass. "Wie weit wird die Bekleidungspolizei gehen?", sagte die Linksabgeordnete Clémentine Autain, die das Verbot bei X (vormals Twitter) auch als eine besessene Zurückweisung von Muslimen bezeichnete. Die Regelung sei verfassungswidrig, schrieb sie. Die Grünen-Abgeordnete Sandra Regol meinte auf der Plattform X: "Abayas, Röcke, Crop-Tops: Es ist immer der Körper der Frauen, den diese Politiker zu kontrollieren versuchen."
Bereits erste Klage gegen Verbot eingereicht
Attals Vorgänger Pap Ndiaye hatte vor einem Verbot zurückgeschreckt. Der Staat könne keine Liste verbotener Kleidungsstücke aufstellen, hatte er im Senat gesagt. "Weil wir uns damit auf ein äußerst komplexes Terrain begeben würden. Aus rechtlicher Sicht ist die Abaya nicht einfach zu definieren, und wir würden in der nächsten Woche durch eine bestimmte Länge des Kleides, eine Kragenform oder dieses oder jenes Accessoire umgangen, was das Problem von Woche zu Woche verlängern und uns zwingen würde, mehr Rundschreiben zu verfassen, was uns direkt zum Verwaltungsgericht bringen würde, wo wir verlieren würden." Wie der neue Bildungsminister diese Fallstricke vermeiden will, hat er bislang nicht gesagt.
Und eine erste Klage ist bereits beim Staatsrat, dem obersten Verwaltungsgericht des Landes, von einem Verein zum Schutz der Rechte von Muslimen (ADM) eingereicht worden. "Wir haben beim Staatsrat eine Dringlichkeitsklage eingereicht, um die Aussetzung des Verbots der Abaya in der Schule zu fordern, das mehrere Grundfreiheiten verletzt", sagte der Anwalt des Vereins, Vincent Brengarth.