Frankreich: Gerichtshof der Republik spricht IWF-Chefin Lagarde in Tapie-Affäre schuldig

IWF-Chefin Christine Lagarde hat nach dem Urteil des Gerichtshofs der Republik in Paris in ihrer Zeit als französische Finanzministerin fahrlässig im Amt gehandelt. Der Gerichtshof sprach die 60-Jährige am 19.12.2016 schuldig, verhängte aber keine Strafe. Der Vorwurf in dem Prozess lautete, Lagarde habe im Zusammenhang mit der Tapie-Affäre nachlässig gehandelt und damit eine Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht. Sie selbst hatte beteuert, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben.

Umstrittenes Schiedsverfahren in Rechtsstreit mit Bernard Tapie

Im Mittelpunkt des Prozesses stand eine Affäre um den schillernden Ex-Minister und Geschäftsmann Bernard Tapie. Lagarde hatte 2007 einem Schiedsverfahren zugestimmt, um einen langwierigen und höchst komplexen Rechtsstreit mit Tapie beizulegen. Als die Schiedsmänner dem Unternehmer daraufhin eine hohe Summe von mehr als 400 Millionen Euro zusprachen, verzichtete Lagarde auf einen Einspruch. Das Gericht kreidete Lagarde an, diesen Einspruch nicht eingelegt zu haben.

Schiedsspruch später aufgehoben

Das Schiedsverfahren im Rechtsstreit um Tapie erwies sich letztlich als eine schlechte Lösung. Inzwischen laufen Betrugsermittlungen gegen mehrere Beteiligte, weil es Verbindungen zwischen Tapie und einem der Schiedsleute gegeben haben soll. Der Schiedsspruch wurde deshalb bereits von Gerichten aufgehoben. Tapie (73) wurde zudem verurteilt, die Entschädigung zurückzuzahlen. Die nach ihm benannte Affäre gilt als noch lange nicht beendet.

Staatsanwaltschaft gegen Verurteilung

Das Gericht setzte sich mit seinem Urteil über die Staatsanwaltschaft hinweg, die sich gegen eine Verurteilung der Finanzmanagerin ausgesprochen hatte. In dem jetzigen Verfahren drohten Lagarde maximal ein Jahr Haft und 15.000 Euro Strafe. Der Gerichtshof der Republik tagt nur sehr selten. Er ist für Vergehen französischer Regierungsmitglieder im Rahmen ihres Amtes zuständig. Das Sondergericht wurde 1993 geschaffen, das Verfahren gegen Lagarde war erst der fünfte Prozess. Auf der Richterbank sitzen neben drei Berufsrichtern zwölf Parlamentarier.

Lagarde will weitermachen

Lagarde leitet den Weltwährungsfonds seit 2011 und gehört damit zu den mächtigsten Frauen der Welt. Von 2007 bis 2011 war sie unter Präsident Nicolas Sarkozy französische Wirtschafts- und Finanzministerin gewesen. Die Entscheidung erschüttert Lagardes Glaubwürdigkeit. Laut früheren Angaben aus Kreisen des Internationalen Währungsfonds in Washington gibt es aber keine Vorschrift, nach der sie nach einer Verurteilung zwingend ihr Amt aufgeben müsste. Lagarde selbst will ungeachtet des Schuldspruches ihre Arbeit beim Weltwährungsfonds fortsetzen. Das aus Lagarde und 24 weiteren Mitgliedern bestehende Führungsgremium des Fonds sprach der 60-Jährigen nach dem Urteil demonstrativ das Vertrauen aus. Rückendeckung bekam Lagarde auch aus Paris von der Regierung ihres Heimatlandes.

Redaktion beck-aktuell, 20. Dezember 2016 (dpa).

Mehr zum Thema