Wire­card-Un­ter­su­chungs­aus­schuss kommt
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Noch in die­sem Herbst soll ein Un­ter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­tags zu Wire­card die Ar­beit auf­neh­men. "Trotz der vie­len Son­der­sit­zun­gen und trotz der vie­len Fra­gen­ka­ta­lo­ge hat es die Bun­des­re­gie­rung nicht ge­schafft, den Fall Wire­card lü­cken­los und gründ­lich auf­zu­ar­bei­ten", sagte der Grü­nen-Ab­ge­ord­ne­te Dany­al Bayaz. Seine Frak­ti­on si­cher­te nach einer zwei­tä­gi­gen Son­der­sit­zung des Fi­nanz­aus­schus­ses als letz­te Op­po­si­ti­ons­par­tei ihre Un­ter­stüt­zung zu.

Grö­ß­ter Fi­nanz­skan­dal der Nach­kriegs­ge­schich­te

Ins­be­son­de­re der SPD droht damit im her­auf­zie­hen­den Bun­des­tags­wahl­kampf Un­ge­mach. Schlie­ß­lich ist ihr Kanz­ler­kan­di­dat Olaf Scholz als Fi­nanz­mi­nis­ter ein Ak­teur im "grö­ß­ten Fi­nanz­skan­dal der Nach­kriegs­ge­schich­te", wie der CSU-Ab­ge­ord­ne­te Hans Mi­chel­bach die Wire­card-Af­fä­re nennt. Die FDP poch­te schon seit län­ge­rem auf einen Un­ter­su­chungs­aus­schuss: "Das ist ein Stück ge­leb­te De­mo­kra­tie", sagte Flo­ri­an Ton­car. Der Lin­ken-Ab­ge­ord­ne­te Fabio De Masi er­klär­te, an­ge­sichts der Tat­sa­che, dass immer mehr Men­schen bar­geld­los be­zahl­ten, gehe es auch um neue di­gi­ta­le Ge­schäfts­mo­del­le ins­ge­samt und deren Kon­trol­le.

Keine Ge­gen­wehr der Re­gie­rungs­par­tei­en

Im Juni hatte der in­zwi­schen in­sol­ven­te Zah­lungs­dienst­leis­ter Luft­bu­chun­gen von 1,9 Mil­li­ar­den Euro ein­ge­räumt. Die Münch­ner Staats­an­walt­schaft geht davon aus, dass Wire­card seit 2015 Schein­ge­win­ne aus­wies, und er­mit­telt wegen ge­werbs­mä­ßi­gen Ban­den­be­trugs. Der Scha­den für die kre­dit­ge­ben­den Ban­ken und In­ves­to­ren könn­te sich auf 3,2 Mil­li­ar­den Euro sum­mie­ren. Wi­der­stand gegen den Aus­schuss war selbst aus den Frak­tio­nen der Re­gie­rungs­par­tei­en CDU, CSU und SPD nicht zu ver­neh­men. Es hand­le sich "um ban­den­mä­ßi­gen Be­trug, um höchst kri­mi­nel­le Hand­lun­gen" - aber eben auch um ein Ver­sa­gen ver­schie­dens­ter staat­li­cher In­sti­tu­tio­nen auf un­ter­schied­li­chen Ebe­nen, die den Skan­dal nicht ver­hin­dert hät­ten, sagte der SPD-Ab­ge­ord­ne­te Jens Zim­mer­mann.

Die Zeit drängt

Bevor der Aus­schuss star­ten kann, müs­sen sich die Frak­tio­nen auf einen Un­ter­su­chungs­auf­trag ei­ni­gen und ein Vier­tel der 709 Ab­ge­ord­ne­ten im Ple­num muss dafür stim­men. Die Op­po­si­ti­on hofft, dass das noch im Sep­tem­ber ge­schieht. Die Zeit drängt wegen der Bun­des­tags­wahl im kom­men­den Herbst, zumal es im In­ter­es­se der un­ter­such­ten Per­so­nen und Be­hör­den lie­gen kann, die Er­mitt­lun­gen zu ver­schlep­pen. Den Vor­sitz be­an­sprucht die AfD, die nach par­la­men­ta­ri­schen Ge­pflo­gen­hei­ten am Zug wäre. "Wir wer­den alles tun, damit die­ser Fall bis ins letz­te De­tail auf­ge­klärt wird", ver­si­cher­te deren Ab­ge­ord­ne­ter Kay Gott­schalk.

Zim­mer­mann: "Smo­king Gun“ nicht wei­ter ver­folgt

Im Wire­card-Skan­dal waren zu­letzt die baye­ri­schen Be­hör­den in die Kri­tik ge­ra­ten. An­fang 2019 habe die Fi­nan­ci­al In­tel­li­gence Unit (FIU) des Zolls zwei "sehr wert­hal­ti­ge" Mel­dun­gen an das LKA Bay­ern ge­macht, die aber dort ver­san­det seien, sagte Zim­mer­mann am Rande der Son­der­sit­zung des Fi­nanz­aus­schus­ses zu Wire­card. Dabei sei es um Wire­card-Vor­stän­de ge­gan­gen, die in merk­wür­di­ge Trans­ak­tio­nen ver­wi­ckelt ge­we­sen sein sol­len. Diese "Smo­king Gun“ sei aber dann von der Staats­an­walt­schaft of­fen­bar nicht wei­ter ver­folgt wor­den. "Das ist na­tür­lich ein Punkt, der schon auf­hor­chen lässt“, sagte Zim­mer­mann, der von einer "hei­ßen Spur“ sprach. Auch Ton­car be­män­gel­te, das Ver­fah­ren sei viel zu schnell ein­ge­stellt wor­den. "Hätte man da ernst­haf­ter wei­ter er­mit­telt, hätte man viel­leicht auch Zwei­fel be­kom­men ins­ge­samt an den han­deln­den Per­so­nen bei Wire­card“ - und auch Be­rich­te über Markt­ma­ni­pu­la­tio­nen wären dann in an­de­rem Licht er­schie­nen.

Viele of­fe­ne Fra­gen

Zen­tra­le Fra­gen sind, wann genau die Re­gie­rung von Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten wuss­te, und ob sie zu wenig da­ge­gen un­ter­nom­men hat. Auch die Frage, warum das Un­ter­neh­men trotz Hin­wei­sen auf Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten im Dax ge­lis­tet war, treibt die Ab­ge­ord­ne­ten um. Mit Wire­card sei ein "Schein­rie­se“ in den Dax30 auf­ge­nom­men wor­den, der mit gro­ßer kri­mi­nel­ler En­er­gie viele Men­schen um ihr Ver­mö­gen ge­bracht habe, sagte der CSU-Ab­ge­ord­ne­te Hans Mi­chel­bach. "Diese Ade­lung hat das Un­ter­neh­men, wie wir heute wis­sen, ganz und gar nicht ver­dient.“ Der Ver­dacht auf Bi­lanz­be­trug bei Wire­card lenkt den Blick auch auf die pri­va­ten Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaf­ten. Diese fal­len in den Zu­stän­dig­keits­be­reich von Wirt­schafts­mi­nis­ter Alt­mai­er. Die Wirt­schafts­prü­fer von EY ste­hen in der Kri­tik, weil das Un­ter­neh­men die Jah­res­bi­lan­zen bei Wire­card seit 2009 ge­prüft und tes­tiert hatte.

Ein­fluss von Lob­by­is­ten ist zu prü­fen

Die Bun­des­re­gie­rung wie­der­um steht im Ver­dacht, Wire­card-Lob­by­is­ten ein allzu of­fe­nes Ohr ge­schenkt zu haben. Das Un­ter­neh­men hatte hoch­ka­rä­ti­ge Für­spre­cher für sich ge­won­nen: So­wohl der Ex-Ge­heim­dienst­ko­or­di­na­tor im Kanz­ler­amt, Klaus-Die­ter Frit­sche, sowie der frü­he­re Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg (CSU) be­trie­ben Lob­by­ar­beit für Wire­card. Lisa Paus von den Grü­nen sprach von einem "re­gel­rech­ten Ab­grund beim Thema Lob­by­is­mus beim Kanz­ler­amt".

Man­gel­haf­te Prü­fung auf Geld­wä­sche

Kri­ti­siert wurde auch, das Un­ter­neh­men sei nur man­gel­haft auf Geld­wä­sche über­prüft wor­den. Die Bafin war nach An­sicht von Bafin-Chef Felix Hu­feld nur für die Wire­card Bank AG zu­stän­dig und hatte den Ge­samt­kon­zern nicht als Fi­nanz­hol­ding, also ein Fi­nanz­un­ter­neh­men mit Toch­ter­fir­men, son­dern als Tech­no­lo­gie­un­ter­neh­men ein­ge­stuft. Die baye­ri­schen Be­hör­den wie­der­um hät­ten Wire­card nicht als Fi­nanz­un­ter­neh­men be­trach­tet und des­halb eben­falls nicht auf Geld­wä­sche ge­prüft, be­män­gel­te der CDU-Ab­ge­ord­ne­te Mat­thi­as Hauer. "Und das führ­te dazu, dass keine Geld­wä­sche­auf­sicht weit­ge­hend über die Wire­card AG er­folgt ist.“ Kay Gott­schalk von der AfD er­klär­te, es gebe wei­ter­hin "sehr viel Auf­klä­rungs­be­darf“.

Redaktion beck-aktuell, 1. September 2020 (dpa).

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