Finanzausschuss empfiehlt Annahme des Corona-Steuergesetzes

Bei einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am 22.06.2020 hat die Mehrheit der Sachverständigen das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz der Koalitionsfraktionen positiv beurteilt. Nach dem Entwurf soll unter anderem die Umsatzsteuersätze für 6 Monate abgesenkt werden. Die Industrie hofft auf positive Effekte, befürchtet aufgrund der Kurzfristigkeit aber auch administrative Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Einen Tag später stimmte der Ausschuss dem Entwurf zu.

Finanzausschuss stimmt mit Koalitionsmehrheit für Entwurf

In der Sitzung des Ausschusses am Dienstag unter Leitung der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) stimmten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD dem von ihnen eingebrachten Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise zu. Die Fraktionen von AfD und FDP stimmten dagegen, die Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Mit dem Gesetz sollen die Umsatzsteuersätze vom 01.07. bis zum 31.12.2020 befristet sinken. Der Steuersatz soll in diesem Zeitraum von 19 auf 16% abgesenkt werden, der ermäßigte Steuersatz von 7 auf 5%. Außerdem gibt es steuerliche Erleichterungen für die Wirtschaft und für Familien. Sieben Änderungsanträge der Koalition wurden angenommen; vier Entschließungsanträge der FDP-Fraktion und ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurden abgelehnt. Die CDU/CSU-Fraktion erklärte in der Aussprache, der insgesamt gute Gesetzentwurf sei noch einmal verbessert werden, zum Beispiel zugunsten der Kommunen. 

Auch Rechtsausschuss stimmt zu

Der mitberatende Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat auf seiner 100. Sitzung am Dienstag die Annahme des Gesetzentwurfs ebenfalls empfohlen. In der ausführlichen Diskussion über die Vorlage ging es unter anderem um die darin enthaltenen steuerstrafrechtlichen Regelungen, die mehreren Abgeordneten zufolge rechtsstaatlich problematisch seien. Die vorgesehene Verlängerung der Verjährungsfrist bei Steuerstrafverfahren sei aber notwendig, hieß es gleichzeitig, um den Cum-Ex-Steuerskandal vollständig aufarbeiten zu können. Eine Vertreterin des Bundesfinanzministerium erklärte dazu, man sei bei einer Abwägung zu dem Schluss gekommen, dass den Ermittlungsbehörden und Gerichten ausreichend Zeit gegeben werden müsse. Die Verlängerung sei daher vertretbar.

Steuergewerkschaft begrüßt Kinderbonus

Am Vortag waren die geplanten Regelungen von Experten bewertet worden. Klaus Eigenthaler, der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, begrüßte ausdrücklich die Erhöhung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende und den geplanten Kinderbonus in Höhe von 300 Euro pro Kind. Der Kinderbonus sei nicht als allgemeine Konsumpauschale gedacht, sondern habe einen klaren kinderbezogenen Zweck, lobte Eigenthaler. Auch die Senkung des Umsatzsteuersatzes sei eine geeignete Maßnahme, um das Ziel, einen Konsumimpuls auszulösen, zu erreichen. 

DIW lobt Konjunkturpaket

Mit einem Gesamtimpuls von rund 130 Milliarden Euro sei das Konjunkturpaket in seiner Größenordnung angemessen, lobte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seiner Stellungnahme. Das Paket dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesen und im kommenden Jahr um jeweils 1,3 Prozentpunkte stützen. Die zeitweise Mehrwertsteuersenkung sowie andere Maßnahmen wie der Kinderbonus dürften den Rückgang des privaten Konsums um rund ein Drittel reduzieren. Die Mehrwertsteuersenkung wirkt nach Ansicht des DIW schneller und gezielter auf den privaten Verbrauch als Senkungen anderer Steuern und Abgaben oder Erhöhungen von Transfers.

Konjunkturforscher erwartet positive Konsumeffekte

Professor Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung sieht mehrere mögliche Effekte der vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer. Wenn Unternehmen die Bruttopreise senken würden, führe dies zu einem positiven Einkommenseffekt für die privaten Haushalte. Sollten Unternehmen die Preise nicht senken, würden sie durch die Steigerung der Gewinnmarge entlastet und Unternehmenspleiten sowie Arbeitsplatzverluste würden vermieden. Außerdem könnte die angekündigte Wiedererhöhung der Umsatzsteuer zum 01.01.2021 Konsumenten anregen, im zweiten Halbjahr 2020 mehr zu kaufen, um die folgenden Preiserhöhungen zu umgehen. Dies würde den gewünschten positiven Vorzieheffekt bewirken.

Automarkt wird wahrscheinlich nicht profitieren

Ob auf dem Automarkt ein solcher Vorzieheffekt eintreten werde, ist nach Ansicht von Dullien allerdings ungewiss. In Deutschland würden zwei Drittel der neu zugelassenen Neuwagen gewerblich angemeldet. Es handele sich insbesondere um teurere Modelle. Für selbst umsatzsteuerpflichtige Selbstständige und Unternehmen komme es für Kaufentscheidungen jedoch auf den Nettokaufpreis ohne Umsatzsteuer an. Eine Reaktion auf Umsatzsteueränderungen sei damit von dieser Gruppe nicht zu erwarten. Bei Kleinwagen hingegen sei die Ersparnis durch die niedrigere Umsatzsteuer für deutliche Verhaltensänderungen möglicherweise nicht groß genug.

Wirtschaft erhofft sich wichtige Impulse

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft werden mit dem Paket insbesondere mit den steuerlichen Maßnahmen wichtige Impulse gesetzt, damit die Unternehmen hierzulande wieder schnell Tritt fassen und die wirtschaftlichen Folgen der Corona Krise überwinden können, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Die vorgesehene Anhebung des Verlustrücktrags sei noch zu niedrig. Viele Unternehmen dürften deutlich höhere krisenbedingte Verluste erleiden, so dass eine vollständige Berücksichtigung dieser Verluste beim Verlustrücktrag geboten sei, so die Spitzenverbände der Wirtschaft. Ähnlich argumentierte der Vertreter der Bitburger-Brauereigruppe.

DGB begrüßt Befristung der Verlustrücktrags-Möglichkeit

Der Deutsche Gewerkschaftsbund würdigte zwar die Verlustrücktrags-Möglichkeit, zugleich wies er aber darauf hin, dass Verlustrückträge auch ein beliebtes Instrument zur Steuergestaltung darstellten. Daher wurde die Befristung dieser Maßnahme begrüßt. Die degressive Abschreibung sieht der DGB als ein in Krisenzeiten bewährtes, auf der Angebotsseite ansetzendes Instrument, um die private Investitionstätigkeit anzuregen. Auch der Deutsche Steuerberaterverband begrüßte, dass die degressive Abschreibung wieder möglich werde. Wie andere Vertreter der Wirtschaft bedauerte der Steuerberaterverband, dass die Maßnahme auf die Jahre 2020 und 2021 beschränkt werden solle.

Kommunen fordern temporäre Entlastung

Mit anderen Aspekten des Zweiten Corona Steuerhilfegesetzes befasste sich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Sie begrüßte die vorgesehene Einführung der degressiven Abschreibung in Höhe von bis zu 25%, wies jedoch auf große Auswirkungen auf das Gewerbesteueraufkommen hin. Die Kommunen müssten von den unmittelbaren Auswirkungen der Steuermindereinnahmen temporär entlastet werden.

Umsatzsteuer: Industrie befürchtet massive administrative Schwierigkeiten

In mehreren Stellungnahmen wurden Probleme mit der kurzfristigen Senkung des Umsatzsteuersatzes thematisiert. Nach Ansicht des Bundesverbands der deutschen Industrie sehen sich die Unternehmen massiven administrativen Schwierigkeiten ausgesetzt, eine fristgerechte Systemumstellung zu erreichen. Für den kurzen Geltungszeitraum von sechs Monaten werde ein massiver Verwaltungsaufwand hervorgerufen. Von administrativen Herausforderungen sprach auch der Handelsverband Deutschland, der Erleichterungen bei der Umsetzung forderte. Nach Ansicht des deutschen Fachverbandes für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik ist die eigentliche Steuerumstellung technisch beherrschbar. Allerdings sei nur ein Teil der aktuell in Deutschland betriebenen Kassensysteme zentral administrierbar beziehungsweise fernwartbar. Zusammen mit der sehr kurzen Vorlaufzeit führe das dazu, dass die Umstellung in vielen Unternehmen nicht pünktlich zum 01.07. erfolgen werde.

BStBK sieht Absenkung der Umsatzsteuersätze kritisch

Die Bundessteuerberaterkammer erklärte, sie stehe der temporären Absenkung der Umsatzsteuersätze äußerst kritisch gegenüber, weil die Kosten-Nutzen-Relation vor dem Hintergrund des sehr kurzen Anwendungszeitraums nicht gegeben sei. In der Praxis sei die geplante Senkung der Umsatzsteuersätze kaum administrierbar. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) forderte angesichts der Umstellungsprobleme großzügige Nichtbeanstandungsregelungen, die in das Gesetz aufgenommen werden müssten.

Verbraucherschützer: Stärkere Senkung der EEG-Umlage wäre zielführender

Betont kritisch fiel auch die Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbands aus. Die Mehrwertsteuersenkung sei gut gemeint, werde aber nur zu einer Teil-Entlastung auf der Nachfrageseite führen. Besser wäre es, die vorgesehenen Mittel in eine noch stärkere Senkung der EEG-Umlage auf den Strompreis zu stecken. Eine deutlich stärkere Senkung der EEG-Umlage, ergänzt mit einem Kinderbonus von 600 statt 300 Euro, wäre wirkungsvoller als eine Mehrwertsteuersenkung, argumentierte die Verbraucherzentrale.

Verband Alleinerziehender weist auf Schwachstellen des Kinderbonus hin

Eine Sicherstellung, dass der Kinderbonus in Höhe von 300 Euro bei getrennten Eltern in dem Haushalt ankomme, in dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt habe und wo somit der größte Teil an Kosten und Ausgaben für das Kind entstehe, verlangte der Verband alleinerziehender Mütter und Väter. Für eine Nachjustierung sprach sich auch Brigitte Meyer-Behage, Direktorin des Amtsgerichts Brake, aus. Vom Kinderbonus komme im Trennungsfall nur die Hälfte in der Familie an, in der das Kind lebe, da der Bonus auf Unterhaltszahlungen angerechnet werde.

Liberale fordern "Neustart für Deutschland“

Gegenstand der Anhörung waren außerdem zwei Anträge der FDP-Fraktion. Im ersten Antrag fordert sie einen "Neustart für Deutschland". Auf die geplante befristete Absenkung der Umsatzsteuersätze solle verzichtet werden. Stattdessen müsse der sogenannte Mittelstandsbauch im Einkommensteuertarif vollständig über drei Jahre bis 2023 abgeschafft werden. Neben einer Verschiebung der Tarifeckwerte der Einkommensteuer von heute 56.000 Euro auf 70.000 Euro im nächsten Jahr soll der Solidaritätszuschlag vollständig und rückwirkend zum 01.01.2020 abgeschafft werden.

Lohnersatzleistungen von steuerlichem Progressionsvorbehalt ausnehmen

Unternehmen sollen nach Vorstellungen der FDP-Fraktion außerdem einer befristeten einmaligen "Negativen Gewinnsteuer" mit einer deutlichen Erweiterung der steuerlichen Verlustverrechnung entlastet werden. Im zweiten Antrag fordert sie, dass im Zusammenhang mit der Corona-Krise gezahlte Lohnersatzleistungen nicht dem steuerlichen Progressionsvorbehalt unterliegen sollen. Auch sollen die betroffenen Empfänger von diesen Lohnersatzleistungen von der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung befreit werden.

Redaktion beck-aktuell, 23. Juni 2020.

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