Experten begrüßen Anpassung der Behinderten- und Pflegepauschbeträge

Bei einer Anhörung des Finanzausschusses zum Regierungsentwurf zur Erhöhung der Behindertenpauschbeträge am 30.09.2020 haben die Sachverständigen der Steuer- , Sozial- und Wohlfahrtsverbände unisono die geplante Verdoppelung der steuerlichen Behindertenpauschbeträge gelobt. Lediglich im Detail wurden Verbesserungen angeregt. Die Pauschbeträge für Menschen mit Behinderungen sind seit 1975 und der Pflegepauschbetrag seit 1990 nicht verändert worden.

Verdoppelung der Behinderten-Pauschbeträge

Der Gesetzentwurf sieht eine "Verdoppelung der Behinderten-Pauschbeträge inklusive Aktualisierung der Systematik" vor. So soll der Betrag bei einem Grad der Behinderung von 50 auf 1.140 Euro steigen, bei 100% auf 2.840 Euro. Die Erhöhung vermeide in vielen Fällen den aufwändigen Einzelnachweis von Aufwendungen, so die Bundesregierung. Damit könnten die Pauschbeträge ihre Vereinfachungsfunktion auch zukünftig erfüllen, heißt es weiter. Zudem soll ein behinderungsbedingter Fahrkosten-Pauschbetrag eingeführt werden. Bei einem Grad der Behinderung kleiner als 50 soll künftig auf die zusätzlichen Anspruchsvoraussetzungen zur Gewährung des Pauschbetrags verzichtet werden.

Anhebung des Pflege-Pauschbetrags

Der Pflege-Pauschbetrag bei der Pflege von Personen mit den Pflegegraden 4 und 5 soll erhöht und für die Pflege von Personen mit den Pflegegraden 2 und 3 neu eingeführt werden. Der Pflege-Pauschbetrag soll künftig "auch unabhängig vom Vorliegen des Kriteriums `hilflos` bei der zu pflegenden Person" geltend gemacht werden können, führt die Bundesregierung aus.

Änderungsbedarf bei behinderungsbedingter Fahrtkostenpauschale geltend gemacht

Die Deutsche Steuergewerkschaft bewertet den Entwurf als überfälligen Akt steuerlicher Gerechtigkeit. Änderungsbedarf sieht der Verband bei der behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale. Diese würde als normale außergewöhnliche Belastung der Kürzung durch die zumutbare Belastung unterliegen. In vielen Fällen führe das de facto zu einem Abzugsverbot. Bei einer Reihe von Steuerzahlern könne dadurch der Eindruck einer "Scheinvergünstigung" entstehen.

Erweiterte Übertragbarkeit des Pauschbetrags gefordert

Der Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine forderte eine erweitere Übertragbarkeit des Pauschbetrages. Ein Pauschbetrag der Eltern müsste auch von deren Kindern geltend gemacht werden können, wenn sie ihre Eltern persönlich betreuen würden. Der Bund der Steuerzahler wies darauf hin, dass die Anpassung von Pauschbeträgen grundsätzlich regelmäßig erfolgen sollte, um ihrer Vereinfachungsfunktion gerecht zu werden, damit es nicht wieder 45 Jahre dauere, bis es zur nächsten Anhebung komme. Auch die Lebenshilfe forderte eine entsprechende Dynamisierung.

Sozialverbände begrüßen Anhebung der Pauschbeträge

Der Sozialverband Deutschland erklärte, mehr als sieben Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland würden nicht durch Einrichtungen oder besondere Dienste der Behindertenhilfe unterstützt. Für sie sei die Anhebung eine wirkliche Hilfe im Alltag. Der Sozialverband VdK begrüßte, dass der bisherige Pflegepauschbetrag knapp verdoppelt werde und auch für die Pflege einer Person mit Pflegegrad 2 und 3 ein Pflegepauschbetrag eingeführt werde. Gerade in der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass für viele Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen zahlreiche ambulante Unterstützungsstrukturen und andere Hilfen weggebrochen seien.

Taubblinde und blinde Menschen nicht berücksichtigt

Der deutsche Gehörlosen-Bund wies darauf hin, dass in dem Gesetzentwurf das für taubblinde Menschen vergebene Merkzeichen TBI fehle. Wegen ihres hohen Hilfebedarfs sei die Gruppe der taubblinden Menschen aber ebenso auf den für bestimmte Betroffenengruppen vorgesehenen erhöhten Pauschbetrag angewiesen, wenn nicht sogar auf einen noch höheren Betrag. Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Behinderten, nannte die Forderung nach einer steuerrechtlichen Gleichberechtigung taubblinder und blinder Menschen in seiner Stellungnahme berechtigt.

Redaktion beck-aktuell, 1. Oktober 2020.

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