Arbeitsteilung in zahnärztlicher Gemeinschaftspraxis kann zu Gewerbebetrieb führen

Eine Gemeinschaftspraxis von Zahnärzten ist insgesamt als steuerpflichtiger Gewerbebetrieb einzustufen, wenn einer der Ärzte für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist und nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten erbringt. Dies hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16.09.2021 entschieden.

Finanzamt stufte Zahnärzte-GmbH als Gewerbebetrieb ein

Die Klägerin ist eine aus Zahnärzten bestehende Partnerschaftsgesellschaft, die Umsatzerlöse in Millionenhöhe erzielt. Auf den Seniorpartner, der hauptsächlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig war, entfielen im Streitjahr nur etwa 900 Euro. Das Finanzamt qualifizierte die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil bei einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft jeder Gesellschafter die Merkmale selbstständiger Arbeit in eigener Person erfüllen müsse. Das Finanzgericht hat nun die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. 

Freiberuflichkeit erfordert ärztliche Tätigkeit aller Gesellschafter

Bei einer Gemeinschaftspraxis müsse jeder der Gesellschafter in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufes erfüllen und damit die freiberufliche Tätigkeit tatsächlich ausüben. Hierfür sei die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers maßgeblich. Diese Tätigkeit könne nicht durch eine bloß organisatorische beziehungsweise leitende Tätigkeit ersetzt werden. Ein Arzt schulde eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten und müsse deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen. Grundsätzlich sei zwar eine gewisse Arbeitsteilung beziehungsweise “Teamarbeit“ unschädlich. So könne der Arzt in “Routinefällen" die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung “problematischer Fälle“ vorbehalten beziehungsweise die Erbringung der eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistung an angestellte Ärzte delegieren. Erforderlich sei aber, dass sich jeder Arzt kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an der “Teamarbeit“ im arzttypischen Heilbereich beteilige.

Kaufmännische Tätigkeit nur eines Arztes "infiziert" ganze Praxis

Übernehme ein Arzt nur kaufmännische Leitungs- oder sonstige Managementaufgaben, sei er nicht freiberuflich, sondern gewerblich tätig. Dies führe dazu, dass die gesamte Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen sei. Denn wenn Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig seien, sei ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Die Tätigkeit des gewerblich tätigen Arztes “infiziere“ die Tätigkeit der freiberuflichen Ärzte.

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.09.2021 - 4 K 1270/19

Redaktion beck-aktuell, 12. April 2022.