Kläger begehrten Erlass der Steuer auf Sanierungsgewinn
Die Kläger sind Eheleute und waren im Streitjahr 2011 zu jeweils 50% an einer KG beteiligt. Durch den Forderungsverzicht einer Gläubigerbank der KG in Höhe von 500.000 Euro entstand ein Gewinn, den das beklagte Finanzamt im Einkommensteuerbescheid der Kläger für 2011 steuererhöhend berücksichtigte. Dies entsprach der damaligen Rechtslage und wurde von den Klägern daher nicht angegriffen. Da sie allerdings meinten, dass die auf den Forderungsverzicht entfallende Einkommensteuer nach dem sogenannten Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 27.03.2003 (BStBl I 2003, 240) zu erlassen sei, stellten sie einen entsprechenden Antrag nach § 227 AO. Das beklagte Finanzamt lehnte den Erlassantrag ab, weil die besonderen Voraussetzungen des Sanierungserlasses nicht vorlägen. Dagegen wandten sich die Eheleute mit ihrer Klage.
FG: Altfallregelung hätte durch Gesetz getroffen werden müssen
Das FG hat die Klage abgewiesen. Es könne offenbleiben, ob die Voraussetzungen des Sanierungserlasses vorlägen oder nicht. Denn der Große Senat des Bundesfinanzhofes habe bereits im November 2016 (BeckRS 2017, 94182) entschieden, dass eine entsprechende Steuerfreiheit gesetzlich hätte geregelt werden müssen und der Sanierungserlass daher gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoße. Am 27.04.2017 habe das BMF "aus Gründen des Vertrauensschutzes" zwar eine Altfallregelung getroffen (Schuldenerlass bis 08.02.2017). Diese Altfallregelung verstoße nach Auffassung des BFH (BeckRS 2017, 128806) aber ebenfalls gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, weil auch eine solche Maßnahme dem Gesetzgeber vorbehalten sei.
Keine Korrektur gesetzlicher Mängel durch Verwaltungsanweisungen
Zum vorgenannten Urteil sei zwar ein Nichtanwendungserlass des BMF ergangen (BStBl I 2018, 588). Daran sei das FG jedoch nicht gebunden, da auch dieser Erlass gegen Gesetz und Recht verstoße. Es stehe der Finanzverwaltung nicht zu, die bisherige Verwaltungspraxis unter Berufung auf Vertrauensschutzgesichtspunkte im Billigkeitsweg fortzusetzen. Verwaltungsanweisungen, mit denen zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse generelle Unzulänglichkeiten des Gesetzes – hier: das Fehlen einer Übergangsregelung für Altfälle – korrigiert werden sollten, seien unzulässig.
Antrag auf Anwendung des § 3a EStG im Billigkeitsverfahren nicht möglich
Inzwischen habe der Gesetzgeber die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen gesetzlich geregelt (§ 3a EStG) und dazu eine Übergangsregelung geschaffen. Über die Anwendung des § 3a EStG sei allerdings bereits im Veranlagungsverfahren (= Steuerfestsetzungsverfahren) zu entscheiden. Soweit sie greife, entstehe die Einkommensteuer erst gar nicht. Demgegenüber werde über die im Sanierungserlass vorgesehenen Maßnahmen in einem eigenständigen Billigkeitsverfahren entschieden, das – wenn alle Voraussetzungen erfüllt seien – mit einem Erlass der Steuer nach § 227 AO seinen Abschluss finde. Daher könne in dem beim FG streitigen Billigkeitsverfahren nach § 227 AO kein Antrag auf Anwendung des § 3a EStG gestellt werden.