FG Rheinland-Pfalz: Finanzamt unterliegt in Streit um Höhe der Grunderwerbsteuer in Mainzer Baugebiet

Für den Kauf eines Grundstücks im Baugebiet "Gonsbachterrassen" in Mainz dürfen nur der Kaufpreis für das Grundstück und nicht auch die Baukosten für das errichtete Wohnhaus in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen werden. Dies geht aus zwei jetzt veröffentlichten Urteilen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 10.04.2018 hervor (Az.: 4 K 2095/16 und 4 K 2096/16).

Gestaltungshandbuch mit "Leitlinien" und "Anregungen"

Die Kläger der beiden Verfahren sind Eheleute und erwarben im Jahr 2009 je zur Hälfte von der Stadtwerke Mainz AG ein Grundstück im Baugebiet "Gonsbachterrassen" in Mainz. Im Kaufvertrag wurde darauf hingewiesen, dass parallel zum Bebauungsplan ein "Gestaltungshandbuch Gonsbachterrassen" geschaffen worden sei, das (neben den öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Bebauungsplanes) "Leitlinien" beinhalte, die verpflichtend umzusetzen seien. Die ebenfalls aufgeführten "Anregungen" hätten nur "Empfehlungscharakter". Die Umsetzung des Gestaltungshandbuchs werde durch eine Lenkungsgruppe gesteuert, die sich aus Vertretern des Entwicklungsträgers (der Gonsbachterrassen GmbH) und der Stadt Mainz zusammensetze. Um den Anliegen des Verkäufers Rechnung zu tragen, hätten die Käufer der Lenkungsgruppe vor dem Abschluss des Kaufvertrages Pläne nebst Flächenberechnungen vorgelegt, die von der Lenkungsgruppe geprüft und durch Erteilung eines Prüfvermerks freigegeben worden seien. Die Käufer verpflichten sich, das Bauwerk dementsprechend zu erstellen.

Kläger wenden sich gegen Berechnung der Grunderwerbsteuer

Weil das beklagte Finanzamt für die Berechnung der Grunderwerbsteuer nicht nur den Kaufpreis für den Grund und Boden, sondern auch die Baukosten für das errichtete Wohnhaus heranzog, legten die Kläger Einspruch ein (jeder gegen den an ihn allein gerichteten Grunderwerbsteuerbescheid). Sie machten geltend, dass kein "einheitliches Vertragswerk" vorliege. Denn es habe keinerlei Verbindung zwischen der Verkäuferin (Stadtwerke Mainz) und der bauausführenden Firma bestanden. Auch den Architekten hätten sie frei wählen können.

FG: Unbebautes Grundstück wurde erworben

Nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhoben die Kläger beim FG jeweils Klage, die jetzt in vollem Umfang Erfolg hatten. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Kläger von den Stadtwerken Mainz nicht ein in bestimmter Art und Weise zu bebauendes, sondern ein unbebautes Grundstück erworben hätten, heißt es in der Begründung des Gerichts. Es habe kein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und der anschließenden Bebauung bestanden. Eine Verbindung oder ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken zwischen dem Architekten beziehungsweise der Baufirma einerseits und den auf der Verkäuferseite handelnden Personen andererseits sei nicht ersichtlich.

Kläger suchten Architekten selbst aus

Die Kläger hätten beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags über das "Ob" und "Wie" einer – den Leitlinien des Gestaltungshandbuchs entsprechenden – Baumaßnahme frei entscheiden können. Insbesondere habe nicht festgestanden, dass sie das Grundstück nur in einem bestimmten (zu bebauenden) Zustand erhalten würden. Entsprechende Absprachen oder aufeinander abgestimmte Aktionen, die auf den Abschluss beider Verträge (Übereignung des Grundstücks und Errichtung des Gebäudes) hingewirkt hätten, seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellbar. Der Architekt habe beispielsweise glaubhaft dargelegt, dass er das Exposé für den streitbefangenen Haustypus gänzlich eigenständig ohne Vermittlung oder Beauftragung durch die Stadtwerke beziehungsweise die Gonsbachterrassen entworfen und vermarktet habe. Für Bauherren von benachbarten Anwesen hätten andere Architekten fast identische Planungen erstellt und auch realisiert. Ursache hierfür seien die strengen gestalterischen Vorgaben gewesen. Die Kläger seien auch nicht durch die Gonsbachterrassen oder die Stadtwerke Mainz, sondern aufgrund privater Empfehlungen auf ihren Architekten aufmerksam geworden.

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.04.2018 - 4 K 2095/16

Redaktion beck-aktuell, 25. April 2018.