FG Niedersachsen bejaht erneut Betriebsausgabenabzug für Zahlungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaften trotz fehlender Empfängerbenennung

Die Vorschrift des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG findet auch auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften Anwendung. Dies hat das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 05.02.2020 – soweit ersichtlich als erstes Finanzgericht – klargestellt (Az.: 9 K 95/13, BeckRS 2020, 3544). Die Entscheidung erging im zweiten Rechtsgang, nachdem der Bundesfinanzhof das Urteil des FG im ersten Rechtsgang allein aus formellen Gründen aufgehoben hatte (BeckRS 2018, 21173). Die vom FG zur jetzt ergangenen Entscheidung zugelassene Revision wurde eingelegt. Das Verfahren wird beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IV R 4/20 geführt.

Steuerabzug in Höhe von 15% für Rechnung des Leistenden

§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gewährt Empfängern von Bauleistungen auch bei fehlender Benennung der Zahlungsempfänger den vollen Betriebsausgabenabzug, wenn der Bauleistungsempfänger seiner Verpflichtung aus § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug in Höhe von 15% für Rechnung des Leistenden vorzunehmen (sogenannte Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag anmeldet und an das zuständige Finanzamt abführt.

Streit um Anwendbarkeit auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften

Die Klägerin, eine inländische Entwicklungs- und Bauträgergesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, nahm im Streitjahr 2002 umfangreiche Bauleistungen britischer Subunternehmer im Zusammenhang mit der Realisierung diverser Großprojekte in Anspruch. Nach den Feststellungen der Informationszentrale Ausland des Bundesamtes für Steuern handelte es sich bei den britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaften. Die KG nahm von den Gegenleistungen den Steuerabzug von 15% für Rechnung der Subunternehmer vor, meldete diese Bauabzugssteuer beim zuständigen Finanzamt an und führte sie ab. Da die KG die tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benennen konnte, kürzte das Finanzamt jedoch auf Grundlage des § 160 AO die Betriebsausgaben um 70% der Gesamtgegenleistung. § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG, der nach seinem Wortlaut die Anwendung des § 160 AO ausschließt, sei auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften nicht anzuwenden.

Ausschlusstatbestand greift auch bei inaktiver ausländischer Domizilgesellschaft als Bauleistende

Dem ist der das Niedersächsische FG entgegengetreten und hat der Klage auch im zweiten Rechtsgang stattgegeben. Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt danach auch dann, wenn Bauleistender eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist. Eine einschränkende Auslegung gegen den klaren Wortlaut – zumal zum Nachteil des Steuerpflichtigen – kommt nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht, da die teilweise in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten Bedenken sich weder in den Gesetzesmaterialien widerspiegelten noch Eingang in den Gesetztext gefunden hätten. Insbesondere fehle ein gesetzlich verankerter Aktivitätsvorbehalt.

Keine Bedenken gegen Verfassungsmäßigkeit

Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht sei weder eine andere (verfassungskonforme) Auslegung geboten noch bestünden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG im Hinblick auf einen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss Dritter, die nicht Bauleistungen empfangen. Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive Domizilgesellschaften sei danach nur dann unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG "instrumentalisiert" und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen habe. Anhaltspunkte hierfür waren nach Angaben des Gerichts im Streitfall aber nicht gegeben.

FG Niedersachsen, Urteil vom 05.02.2020 - 9 K 95/13

Redaktion beck-aktuell, 19. März 2020.

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