Anspruch auf Akteneinsicht im Steuerverwaltungsverfahren

Steuerpflichtige haben regelmäßig einen Anspruch auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren. Dies hat das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 18.03.2022 entschieden. Der Senat führte außerdem aus, dass Art. 15 DSGVO auch auf direkte Steuern anzuwenden ist. Die Regelung sehe allerdings nur ein Auskunftsrecht vor. Das Gericht hat die Revision in dem Verfahren zugelassen.

Unklarheiten bei Steuererklärung

Die Kläger in dem Fall hatten einen Steuerberater mit ihrer Steuererklärung beauftragt und ihn zur Entgegennahme des Bescheides bevollmächtigt. Erst nach der Bestandskraft des Steuerbescheides haben die Kläger von dem Bescheid Kenntnis erlangt. Den Erläuterungen in dem Bescheid konnten sie entnehmen, dass es Rückfragen gegeben hatte, von denen sie ebenfalls keine Kenntnis hatten. Da der (nunmehr ehemalige) Steuerberater keine Auskunft gegeben hatte, beantragten sie beim Finanzamt Akteneinsicht um die Angaben zu überprüfen und um gegebenenfalls Regress nehmen zu können. Dies lehnte das Finanzamt ab. Den Klägern fehle das notwendige berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht. Ein Anspruch würde sich auch nicht aus der DSGVO ergeben.

FG. Antrag ermessenfehlerhaft abgelehnt

Das FG folgte dem Finanzamt nicht und gab den Klägern Recht. Das Finanzamt habe das Akteneinsichtsgesuch ermessenfehlerhaft abgelehnt. Anders als andere Verfahrensordnungen enthalte die Abgabenordnung zwar kein normiertes Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren, dem Steuerpflichtigen stehe aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein Anspruch auf ermessensgerechte Entscheidung zu. Hierbei habe das Finanzamt die Belange des Steuerpflichtigen mit denen der Behörde abzuwägen.

Grundsätzlich Einsichtsrecht aus EU-Grundrechtecharta

Das FG hat in seiner Entscheidung die abzuwägenden Rechtsgüter konkretisiert und ausgeführt, dass aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Prozessgrundrecht gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und dem nunmehr in Art. 41 Abs. 2 lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verankerten Recht auf Gehör grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht folge, welches die Finanzbehörde mit dem Schutz Dritter und ihrem Ermittlungsinteresse sowie ihrem Verwaltungsaufwand abzuwägen habe.

DSGVO sieht nur Auskunftsrecht vor

Der Senat betonte zudem, dass Art. 15 DSGVO auch auf direkte Steuern (wie die Einkommensteuer) Anwendung finde. Art. 15 DSGVO sehe jedoch nur ein Auskunftsrecht vor. Ob dieses Auskunftsrecht durch Akteneinsicht oder auf anderem Wege zu erfüllen sei, müsse das Finanzamt nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Das Gericht konnte diese Frage nach eigenen Angaben dahinstehen lassen, da den Klägern bereits aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Akteneinsichtsrecht zustand.

FG Niedersachsen, Urteil vom 18.03.2022 - 7 K 11127/18

Redaktion beck-aktuell, 27. April 2022.