Arbeitnehmer-Verabschiedung: Kann Betriebsveranstaltung sein

Aufwendungen eines Arbeitgebers für eine Veranstaltung, auf der ein Arbeitnehmer verabschiedet wird, müssen nicht insgesamt als Arbeitslohn zu behandeln sein, wenn sie die Freigrenze von 110 Euro pro Teilnehmer überschreiten. Entscheidend ist laut FG Niedersachsen – wie so oft – der Einzelfall.

Das Gericht tritt damit der Auffassung der Finanzverwaltung entgegen. Diese hat in R 19.3 Absatz 2 Nr. 3 LStR der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) festgelegt, dass die Kosten für Verabschiedungen, wenn sie mehr als 110 Euro je teilnehmender Person betragen, dem Arbeitnehmer unabhängig davon als steuerpflichtiger Arbeitslohn zuzurechnen sind, ob die Veranstaltung im betrieblichen Interesse liegt oder nicht. Anders bei Geburtstagsfeiern: Hier wird, wenn die Freigrenze von 110 Euro überschritten wird, nach R 19.3 Absatz 2 Nr. 4 LStR nur der auf den Arbeitnehmer und seine Gäste entfallende Anteil als Arbeitslohn behandelt. Die Regelung war infolge einer BFH-Entscheidung aus dem Jahr 2003 in die Lohnsteuer-Richtlinien aufgenommen worden.

Das FG hält die Unterscheidung zwischen Verabschiedungs- und Geburtstagsfeiern für nicht gerechtfertigt (Urteil vom 23.04.2024* – 8 K 66/22): Veranstalte ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Arbeitnehmers einen Empfang, sei entgegen R 19.3 Absatz 2 Nr. 3 LStR auch bei Überschreiten der Freigrenze von 110 Euro unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Arbeitnehmers handelt.

Gericht zieht Parallele zu Geburtstagsfeiern

Im zugrunde liegenden Fall hatte eine Bank für ihren ausscheidenden Vorstandsvorsitzenden eine Abschiedsfeier ausgerichtet, bei der auch der Nachfolger vorgestellt worden war. Der Lohnsteueraußenprüfer hatte die Feier nicht als Betriebsveranstaltung anerkannt, weil nicht alle Mitarbeiter eingeladen waren und die Aufwendungen die Freigrenze von 110 Euro je Teilnehmer überschritten. Die Bank wurde für die Lohnsteuer auf die Aufwendungen der Veranstaltung in Haftung genommen.

Zu Unrecht, meint das FG. Es habe sich um ein Fest des Geldinstituts gehandelt. Die Gästeliste sei überwiegend nach geschäftlichen Gesichtspunkten erstellt worden und die Bank als Gastgeberin aufgetreten. Das FG wertete den Empfang als im überwiegenden betrieblichen Interesse der Arbeitgeberin liegend. Denn es sei nicht nur der bisherige Vorstandsvorsitzende verabschiedet, sondern auch sein Nachfolger eingeführt worden.

Daher stelle sich der Empfang als Betriebsveranstaltung dar und nur die auf den bisherigen Vorstandsvorsitzenden und seine Familienangehörigen entfallenden Aufwendungen seien als Arbeitslohn zu werten. Das FG zog insofern eine Parallele zu den Vorgaben bei Geburtstagsfeiern, bei denen nur die auf den betreffenden Arbeitnehmer und seine Gäste entfallenden Kosten als Arbeitslohn gewertet würden. Da es hiermit von den Vorgaben der Finanzverwaltung abweicht, ließ das Gericht die Revision zur Rechtsfortbildung zu.

*Anm. d. Red.: Das Datum der Entscheidung wurde nachträglich korrigiert.

FG Niedersachsen, Urteil vom 23.04.2024 - 8 K 66/22

Redaktion beck-aktuell, dd, 24. Juni 2024.