Prozesskosten steuerlich abzugsfähig, wenn Verlust der Existenzgrundlage droht

Zivilprozesskosten können nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Das FG Niedersachsen hat das in einem Fall bejaht, in dem die unentgeltliche Übertragung eines Forstbetriebs rückabgewickelt werden sollte und dadurch der Verlust der Existenzgrundlage drohte.

Ein Forstwirt hatte im Jahr 2015 unter anderem einen Forstbetrieb gegen Altenteilleistungen übertragen bekommen. In der Folge kündigte er als Angestellter des Betriebs und führte ihn als Selbständiger fort. Noch im gleichen Jahr wollte der Voreigentümer gerichtlich durchsetzen, dass ihm der Betrieb zurück übertragen wird und das Grundbuch entsprechend berichtigt wird. Er sei bei der Übertragung demenzbedingt geschäftsunfähig gewesen.

Dagegen ging der Mann gerichtlich vor und machte die entstandenen Prozesskosten in seiner Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt spielte nicht mit, aber das FG Niedersachsen erlaubte es (Urteil vom 15.05.2024 – 9 K 28/23).

Zwar habe der Gesetzgeber, nachdem der BFH 2011 den Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen in weitem Umfang zugelassen hatte (Urteil vom 12.05.2011 - VI R 42/10) in § 33 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 1 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ein umfassendes Abzugsverbot für Prozesskosten statuiert. Danach sind Zivilprozesskosten nur ausnahmsweise als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Eine solche Ausnahme liege hier aber vor, so das FG, weil der Steuerpflichtige ohne diesen Prozess Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Abzugsfähige Prozesskosten wegen Existenzgefährdung

Denn der Forstwirt habe seinen Lebensunterhalt überwiegend aus den Erträgen des übertragenen Forstbetriebs bestritten. Sollte das Rückübertragungsverlangen Erfolg haben, würden ihm nur Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags verbleiben. Der Fall unter das steuerliche Existenzminimum erfülle den Tatbestand der Gefahr für die Existenzgrundlage.

Dem steht laut FG auch nicht entgegen, dass der Mann, sollte er zur Rückübertragung verpflichtet werden, erneut eine Angestelltentätigkeit hätte aufnehmen können. Denn der Verlust der Existenzgrundlage erfordere keinen dauerhaften Verlust der materiellen Lebensgrundlage. Auch könne ihm nicht entgegengehalten werden, dass er im Notfall die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen könne. Die Revision gegen das Urteil wurde eingelegt und ist unter dem Az. VI R 22/24 beim BFH anhängig.

FG Niedersachsen, Urteil vom 15.05.2024 - 9 K 28/23

Redaktion beck-aktuell, gk, 19. September 2024.