FG Münster verneint Haftung für Duldungsverpflichtung

Ein GbR-Gesellschafter kann für eine Verpflichtung der GbR auf Leistung von Wertersatz aus einem Duldungsbescheid nicht in Haftung genommen werden. Dies hat das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 20.11.2019 entschieden. Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese wurde jedoch nicht eingelegt (Az.: 9 K 315/17 K).

Streit um Umfang einer Haftung

Das Finanzamt hatte im zugrunde liegenden Fall gegenüber einer GbR einen auf Wertersatz in Höhe von 285.000 Euro gerichteten Duldungsbescheid erlassen. Hintergrund war eine nach § 3 Abs. 1 AnfG anfechtbare Zahlung der GbR an eine AG, die dem Finanzamt Steuern schuldete. Der Duldungsbescheid ist zwischenzeitlich bestandskräftig geworden. Gegenüber dem Kläger als ehemaligem persönlich haftendem Gesellschafter der GbR erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid über die Höhe der sich aus dem Duldungsbescheid ergebenden Zahlungsverpflichtung und forderte ihn zugleich zur Zahlung des Betrages auf. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass § 191 Abs. 1 AO nur eine Haftung für Steuern, nicht aber für Duldungsverpflichtungen vorsehe. Das Finanzamt war demgegenüber der Auffassung, dass es letztlich um die Tilgung einer Steuerschuld gehe, was eine mehrstufige Haftungs- und Duldungskette rechtfertige.

Duldungspflicht kein Anspruch aus Steuerschuldverhältnis

Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des FG Münster ist der Erlass eines Haftungsbescheids für eine Duldungsverpflichtung ausgeschlossen. § 191 Abs. 1 AO verwende lediglich den Begriff der Steuer, worunter zwar auch steuerliche Nebenleistungen und Haftungsinanspruchnahmen für Steuern fielen. Demgegenüber zähle eine Duldungspflicht nicht zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne von §§ 37 Abs. 1 und 218 Abs. 1 AO und sei inhaltlich nur auf die Duldung der Vollstreckung in das eigene Vermögen gerichtet.

Gericht sieht keine planwidrige Regelungslücke

Das Gesetz enthalte insoweit auch keine planwidrige Regelungslücke. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO regele vielmehr abschließend, dass in den dort ausdrücklich genannten Fällen durch Verwaltungsakt Belastungen des Steuerpflichtigen begründet werden könnten. Der Gesetzgeber habe sich zum Inhalt und zum Umfang dieser Befugnis Gedanken gemacht und diese (anders als im Sozialrecht) ausdifferenziert geregelt. Dementsprechend sei eine abschließende Regelung zu unterstellen, auch wenn diese für die Finanzverwaltung zu dem weniger praktikablen Ergebnis führe, bei Duldungsverpflichtungen den ordentlichen Rechtsweg beschreiten zu müssen. Hinzu komme, dass es sich bei der Befugnis zum Erlass eines Duldungsbescheids systematisch um eine vollstreckungsrechtliche Regelung handele, deren Einbeziehung in das Steuerrecht zwar sinnvoll erscheine, aber nicht zwingend sei.

Zudem schon Duldungsbescheid rechtswidrig

Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid auch deshalb rechtswidrig, weil der gegenüber der GbR erlassene Duldungsbescheid rechtswidrig sei. Mangels Bestandskraft der zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen hätte der Duldungsbescheid mit einer entsprechenden Bedingung versehen werden müssen (§ 14 AnfG). Hierauf habe sich der Kläger auch berufen können, da er in Duldungsbescheid aufgrund seines Ausscheidens aus der GbR nicht mehr habe anfechten können.

FG Münster, Urteil vom 20.11.2019 - 9 K 315/17 K

Redaktion beck-aktuell, 15. April 2020.