Ab­zin­sungs­satz von 5,5% für un­ver­zins­li­che Dar­le­hens­ver­bind­lich­kei­ten für 2016 ver­fas­sungs­ge­mäß

Gegen den Ab­zin­sungs­satz von 5,5% für un­ver­zins­li­che Dar­le­hens­ver­bind­lich­kei­ten be­stehen nach An­sicht des Fi­nanz­ge­richts Müns­ter für das Jahr 2016 keine ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken. Er halte für 2016 der ma­ß­geb­li­chen Will­kür­kon­trol­le stand. Die Recht­spre­chung zum Nach­zah­lungs­zins­satz (§ 238 AO) sei nicht über­trag­bar. Das FG hat aber die Re­vi­si­on zum Bun­des­fi­nanz­hof zu­ge­las­sen.

Klä­ger rügt Ab­zin­sungs­satz von 5,5% wegen Null­zins­pha­se als ver­fas­sungs­wid­rig

Der Klä­ger be­treibt einen Au­to­han­del. In sei­ner auf den Schluss des Streit­jah­res 2016 er­stell­ten Bi­lanz wies er zwei Dar­le­hens­ver­bind­lich­kei­ten, die be­reits seit etwa 20 Jah­ren be­stan­den, zum Nenn­wert aus. Im Rah­men einer Be­triebs­prü­fung ge­lang­te das Fi­nanz­amt zu der Er­kennt­nis, dass es sich hier­bei um un­ver­zins­li­che Dar­le­hen mit un­be­stimm­ter Lauf­zeit han­de­le, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Rech­nungs­zins­fuß von 5,5% ab­zu­zin­sen und ent­spre­chend nied­ri­ger zu be­wer­ten seien. Den Dif­fe­renz­be­trag er­fass­te es ge­winner­hö­hend. Da­ge­gen wand­te der Klä­ger ein, dass der Zins­satz von 5,5% wegen der seit meh­re­ren Jah­ren an­dau­ern­den Null­zins­pha­se ver­fas­sungs­wid­rig sei.

FG: Bloße tem­po­rä­re Ge­winn­ver­schie­bung durch Ab­zin­sung

Das FG hat die Klage ab­ge­wie­sen. Die ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken des Klä­gers im Hin­blick auf den Zins­satz hat das Ge­richt nicht ge­teilt. Das Gebot der Ab­zin­sung von Ver­bind­lich­kei­ten be­ru­he auf der sach­ge­rech­ten ty­pi­sie­ren­den Vor­stel­lung, dass eine erst in der Zu­kunft zu er­fül­len­de Ver­pflich­tung den Schuld­ner we­ni­ger be­las­te als eine so­for­ti­ge Leis­tungs­pflicht. Die­ser Min­der­auf­wand werde ka­pi­ta­li­siert und als Er­trag vor­weg­ge­nom­men, wäh­rend ge­gen­läu­fig auf­grund der sich ste­tig ver­kür­zen­den Rest­lauf­zeit ein Auf­zin­sungs­auf­wand ent­ste­he, bis der Rück­zah­lungs­zeit­punkt er­reicht sei. Die Ab­zin­sung be­wir­ke daher im Er­geb­nis le­dig­lich eine tem­po­rä­re Ge­winn­ver­schie­bung. Eine sol­che tem­po­rä­re Ge­winn­ver­schie­bung sei ver­fas­sungs­recht­lich am Maß­stab der Will­kür­kon­trol­le zu be­ur­tei­len.

Ab­zin­sungs­satz von 5,5% für 2016 nicht will­kür­lich

Für das Streit­jahr 2016 sei der Rech­nungs­zins­satz von 5,5% nicht ver­fas­sungs­recht­lich will­kür­lich ge­wählt wor­den. In die­sem Jahr habe der Fremd­ka­pi­tal­markt­zins­satz in un­ter­schied­li­chen Kon­stel­la­tio­nen noch 2,45% bis 3,71% be­tra­gen. Dar­über hin­aus seien im Ein­zel­fall vor­lie­gen­de wei­te­re Fak­to­ren wie Bo­ni­tät des Schuld­ners und feh­len­de Be­si­che­rung des Dar­le­hens ein­zu­be­zie­hen.

Recht­spre­chung zu Nach­zah­lungs­zins­satz nicht über­trag­bar

Die be­stehen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken gegen die Zins­satz­hö­he nach § 238 AO seien nicht auf den Ab­zin­sungs­satz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG über­trag­bar. Denn die­ser solle nicht den Nut­zungs­vor­teil für die Über­las­sung von Ka­pi­tal ab­schöp­fen, son­dern stel­le eine in­ter­ne Re­chen­grö­ße für die Be­wer­tung einer un­ver­zins­li­chen Ver­bind­lich­keit dar. Schlie­ß­lich ließe sich die Ab­zin­sung durch ent­spre­chen­de Ge­stal­tun­gen ver­mei­den, etwa durch "Ket­ten­dar­le­hen", die für we­ni­ger als zwölf Mo­na­te ge­währt und immer wie­der ver­län­gert wer­den oder durch Ver­ein­ba­rung eines Zins­sat­zes knapp über 0%.

FG Münster, Urteil vom 22.07.2021 - 10 K 1707/20 E,G

Redaktion beck-aktuell, 15. Oktober 2021.

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