Begünstigungen für Pharmavertriebs-GmbH-Anteile nach "Einstiegstest" versagt
Der Vater der Klägerin schenkte dieser im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein Unternehmen für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten betrieb und auch forschend tätig war. Das Geschäftsleitungsfinanzamt stellte den Wert der Anteile an der GmbH auf 555.975 EUR, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel auf 2.517.649 EUR, die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 EUR und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 3.138.504 EUR fest. Der Beklagte versagte wegen des sogenannten Einstiegstests die Begünstigungen gemäß § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG. Nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG, der den "Einstiegstest" regelt, ist die Inanspruchnahme der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen von vornherein ausgeschlossen, wenn der nach dieser Vorschrift modifizierte Wert des Verwaltungsvermögens mindestens 90% des gemeinen Werts des grundsätzlich begünstigungsfähigen Vermögens beträgt.
FG: § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG teleologisch zu reduzieren
Das FG hat der Klage der Tochter stattgegeben. Zwar sei im Streitfall nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG die begehrte Begünstigung für Betriebsvermögen vollständig ausgeschlossen, denn das Verwaltungsvermögen von 0 EUR zuzüglich der Finanzmittel von 2.577.649 EUR betrage mehr als 90% des auf 555.975 EUR festgestellten gemeinen Wertes der übertragenen Anteile an der inländischen GmbH. Die Vorschrift sei aber ihrem Normzweck entsprechend im Weg der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen, dass der "Einstiegstest" dann nicht zur Anwendung komme, wenn die Kapitalgesellschaft, deren Anteile übertragen würden, ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinn des § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG diene. Im Streitfall sei der Hauptzweck der Tätigkeit der GmbH ein originär gewerblicher, weshalb der "Einstiegstest" zu unterbleiben habe.
Bei genannten Hauptzwecken keine Missbrauchsgefahr
Dabei stützt sich das FG insbesondere darauf, dass es sich bei dem "Einstiegstest" nach seinem Sinn und Zweck um einen speziellen Missbrauchsvermeidungstatbestand handele. Es solle solches begünstigungsfähiges Vermögen von der Verschonung ausgenommen sein, das nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen bestehe. Gehe die Kapitalgesellschaft aber ihrem Hauptzweck, einer Tätigkeit im Sinn des § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG nach, bestehe keine Missbrauchsgefahr. Dies gelte insbesondere für Handels- und Dienstleistungsunternehmen, wie es die GmbH der Klägerin betreibe, die typischerweise einen vergleichsweise hohen Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aus ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit hätten. Im Gegenteil würden durch eine uneingeschränkte Anwendung des "Einstiegstests" für solche Unternehmen Anreize gesetzt, entgegen ihrem gewachsenen und üblichen Geschäftsmodell Ausweichgestaltungen oder betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle oder nachteilige Vorgehensweisen zu wählen, um einen positiven "Einstiegstest" zu erreichen. Eine teleologische Reduktion des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG in der Weise, dass danach unterschieden werde, welchem Hauptzweck die Tätigkeit der betreffenden Kapitalgesellschaft diene, sei schließlich auch durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Das Revisionsverfahren beim BFH ist unter dem Az. II R 49/21 anhängig.