Zimmervermietung in "Steigen" auf St. Pauli umsatzsteuerpflichtig

Die Überlassung von Zimmern in sogenannten Steigen im Sperrgebiet auf St. Pauli ist nicht mehr als umsatzsteuerfreie Vermietung zu qualifizieren, da mit der tageweisen Zimmerüberlassung ein Bündel von Leistungen erbracht wird, das der Zimmerüberlassung den Charakter eines Mietverhältnisses nimmt. Das hat das Finanzgericht Hamburg kürzlich entschieden. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Zimmer mit Zusatzleistungen an Prostituierte vermietet

Der Kläger war Mieter von zwei Immobilien auf St. Pauli, die im Gebiet der Sperrverordnung liegen. Prostitution ist daher nur in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr erlaubt. Ein weiteres Objekt hatte er in der H-Straße angemietet, in der keine Beschränkungen für die Prostitution gelten. Die einzelnen Zimmer der sogenannten Steigen überließ er zu einer "Tagesmiete" an Prostituierte, die in den Zimmern sexuelle Dienstleistungen erbrachten. Der Kläger hatte in der Vergangenheit aus der Nutzungsüberlassung umsatzsteuerpflichtige Erlöse erklärt. Nachdem der Bundesfinanzhof am 24.09.2015 ein Urteil des Finanzgericht Hamburg aufgehoben und auch die halbstündige Überlassung von Zimmern in einem sogenannten Stundenhotel als umsatzsteuerfreie Vermietung angesehen hatte, berief sich der Kläger im Streitjahr 2016 auf die Umsatzsteuerfreiheit seiner Vermietungsleistungen.

FG bejaht Umsatzsteuerpflicht

Dem folgte das Finanzamt zunächst für einige Vorauszahlungsmonate, blieb aber mit der Einspruchsentscheidung über den Umsatzsteuerjahresbescheid dabei, dass neben der Zimmerüberlassung ein "Rund-um-sorglos-Paket" für die Prostituierten erbracht werde, das die Grenzen passiver Vermietungsleistungen überschreite. Dem ist der Senat nach Durchführung einer Beweisaufnahme gefolgt. Denn neben der Überlassung der Zimmer seien in allen Steigen auf Veranlassung des Klägers Wirtschafter oder im Fall der H-Straße Wirtschafterinnen tätig, die die Prostituierten betreuten und für ihre Sicherheit sorgten. Zudem erhielten die Prostituierten durch die Anmietung der Steigen-Zimmer die tatsächliche Möglichkeit, auf bestimmten öffentlichen Plätzen, die quasi "gewohnheitsrechtlich" einzelnen Steigen zugewiesen seien, Freier zu akquirieren unter Ausschluss "steigenfremder" Prostituierter, während sie in der H-Straße für die Akquise einen sogenannten Kober mit Schaufenstern nutzen könnten. Zusätzlich würden weitere Leistungen wie die Bereitstellung einer Alarmanlage und Videoüberwachung sowie Catering erbracht.

Grenze passiver Vermietungsleistung überschritten

Mit diesem Bündel von Leistungen sei, so das FG weiter, die Grenze einer passiven Vermietungsleistung überschritten, die Nutzungsüberlassung habe eher bordellartigen Charakter erlangt. Damit ist laut FG vorerst eine Streitfrage entschieden, die bereits in den Fokus des Rechnungshofes geraten war, nämlich zur Besteuerung des Rotlichtgewerbes in Hamburg (Jahresbericht des Rechnungshofes 2022).

FG Hamburg, Urteil vom 17.05.2022 - 2 K 9/20

Gitta Kharraz, 21. Juni 2022.