Tonnagebesteuerung: Fiktion des Gewerbeertrags erfasst nicht Gewerbebetrieb

Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Gewerbesteuer nach der Tonnagebesteuerung zählen Sondervergütungen, die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstehen, nicht zum fiktiven Gewerbeertrag im Sinn von § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG. Dies hat das Finanzgericht Hamburg entschieden. Die Vorschrift fingiere lediglich den Gewerbeertrag, nicht aber einen Gewerbebetrieb. Gegen die Entscheidung ist beim Bundesfinanzhof die Revision anhängig.

Beklagter rechnete Sondervergütungen nach Einstellung der werbenden Tätigkeiten zum fiktiven Gewerbeertrag

Nach § 5a EStG können Gewerbebetriebe mit Geschäftsleitung im Inland ihren Gewinn aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auf Antrag nach der im Betrieb geführten Tonnage ermitteln. Dieser nach § 5a EStG ermittelte Gewinn gilt gemäß § 7 Satz 3 GewStG als Gewerbeertrag im Sinn von § 7 Satz 1 GewStG. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass § 7 Satz 3 GewStG nicht nur den Gewerbeertrag, sondern auch einen Gewerbebetrieb fingiere mit der Folge, dass die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstandenen Sondervergütungen hinzuzurechnen seien.

§ 7 Satz 3 GewStG nach BFH-Rechtsprechungsänderung ergänzt

Hintergrund dieser Ansicht des Beklagten ist die Ergänzung des § 7 Satz 3 GewStG durch das JStG 2019: Der BFH zählte in ständiger Rechtsprechung zum fingierten Gewerbeertrag auch die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HS 2 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen. Nachdem der BFH 2018 seine Rechtsprechung hinsichtlich der Hinzurechnung der Unterschiedsbeträge gemäß § 5a Abs. 4 EStG geändert hatte und nunmehr die Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrages nicht mehr zum "nach § 5a EStG ermittelten Gewinn" im Sinn von § 7 Satz 3 GewStG zählte, ergänzte der § 7 Satz 3 GewStG um den Zusatz "einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und 4a EStG" mit Rückwirkung auf die Erhebungszeiträume ab 2008.

FG: Fiktion erfasst nur Gewerbeertrag, nicht aber Gewerbebetrieb

Das FG Hamburg ist der Ansicht des Beklagten nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Gesetzesänderung durch das JStG 2019 überhaupt eine nach dem Rückwirkungsverbot rechtfertigungsbedürftige konstitutive Neuregelung enthalte, weil die nun ausdrücklich in die Regelung einbezogene Hinzurechnung der Sondervergütungen nach § 5a Abs. 4a EStG schon vorher nach ständiger Rechtsprechung zum nach § 5a EStG ermittelten Gewinn hinzugerechnet worden seien. Jedenfalls zählten die nach Einstellung der werbenden Tätigkeiten entstandenen Sondervergütungen nicht zum Gewerbeertrag im Sinn von § 7 Satz 3 GewStG. Diese Vorschrift fingiere den Gewerbeertrag, aber eben nicht einen Gewerbebetrieb. Das Bestehen eines Gewerbebetriebes werde in § 7 Satz 1 GewStG nach allgemeiner Ansicht vielmehr vorausgesetzt, es seien insoweit keine gesetzsystematischen Gründe erkennbar, warum § 7 Satz 3 GewStG Aussagekraft für die sachliche Steuerpflicht beigemessen werden könnte.

FG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.2021 - 2 K 61/19

Redaktion beck-aktuell, 1. Oktober 2021.