FG Baden-Württemberg: Keine Änderung eines wegen verfassungsrechtlicher Fragen vorläufigen Bescheids

Ergeht ein Einkommensteuerbescheid hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten vorläufig, um die sich speziell aus der unklaren verfassungsrechtlichen Situation in Bezug auf die durch das Alterseinkünftegesetz ab dem Veranlagungszeitraum 2005 vorgenommenen Änderungen bei der Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten aufzufangen, scheidet eine Änderung des Bescheids aus, wenn es in dem Fall lediglich um die Auslegung einfachen Steuerrechts geht. Denn der Vorläufigkeitsvermerk beziehe sich nur auf verfassungsrechtliche Fragen, wie das Finanzgericht Baden-Württemberg mit rechtskräftigem Urteil vom 12.12.2018 entschieden hat (Az.: 14 K 3172/17).

"Vorbezug" aus Schweizer Pensionskasse als Leibrenten besteuert

Der Kläger war im Streitjahr 2010 in der Schweiz nichtselbstständig tätig. Sein Arbeitgeber führte für ihn entsprechend den gesetzlichen Regelungen in der Schweiz Beiträge zu einer Schweizer Pensionskasse ab. Diese zahlte ihm am 15.12.2010 unter Abzug der einzubehaltenden Quellensteuer umgerechnet 14.400 Euro als sogenannten Vorbezug aus. Das Finanzamt berücksichtigte die Auszahlung als sonstige Einkünfte (Leibrenten) zunächst mit einem Besteuerungsanteil von 60% und nach Einspruch unter Berücksichtigung der sogenannten Öffnungsklausel in Höhe von 7.697 Euro. Die Einkommensteuerfestsetzung war hinsichtlich "der Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten" vorläufig.

Kläger beantragte Änderung des Bescheids

Im Oktober 2016 beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid zu ändern. Seine Einkünfte seien nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs teilweise nicht steuerbar. Danach fließe der auf das sogenannte Überobligatorium entfallende Anteil der Kapitalauszahlung nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage ein. Das beklagte Finanzamt lehnte eine Änderung mangels Änderungsgrundlage ab. Die Vorläufigkeit habe sich lediglich auf verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Rentenbesteuerung bezogen.

FG: Vorläufigkeit des Bescheids betraf nur verfassungsrechtliche Fragen

Das FG hat die Klage abgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 könne nicht mehr geändert werden. Es gebe keine Änderungsvorschrift. Die Vorläufigkeit habe nach Wortlaut und Begründung nur diejenige Unsicherheit auffangen sollen, die sich speziell aus der unklaren verfassungsrechtlichen Situation in Bezug auf die durch das Alterseinkünftegesetz ab dem Veranlagungszeitraum 2005 vorgenommenen Änderungen bei der Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten ergeben habe.

Keine Vorläufigkeit bezüglich Auslegung einfachen Steuerrechts

Im Streitfall gehe es nicht um verfassungsrechtliche Fragen, sondern um die Frage "der steuerlichen Behandlung von Kapitalleistungen aus schweizerischen Pensionskassen" und damit um die Auslegung des (einfachen) Steuerrechts, das heißt die Frage, "ob und in welchem Umfang die Einkünfte aus schweizerischen Pensionskassen überhaupt als Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung" anzusehen seien. Diese Fragen umfasse der Vorläufigkeitsvermerk nicht. Die Steuerfestsetzung sei nicht vorläufig "hinsichtlich jedweder im Rahmen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG streitig gewordener Rechtsfragen" gewesen.

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.12.2018 - 14 K 3172/17

Redaktion beck-aktuell, 3. Juli 2019.

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