Kein er­mä­ßig­ter Um­satz­steu­er­satz für Trau­er- und Hoch­zeits­red­ne­rin

Trau­er- und Hoch­zeits­red­ner/innen üben grund­sätz­lich keine er­mä­ßigt zu be­steu­ern­de künst­le­ri­sche Tä­tig­keit aus. Dies hat das Fi­nanz­ge­richt Baden-Würt­tem­berg ent­schie­den und die Klage einer Frau ab­ge­wie­sen. Sie seien keine "aus­üben­den Künst­ler", son­dern ver­fer­tig­ten "Ge­brauchs­re­den". Das Ur­teil ist rechts­kräf­tig.    

Er­mä­ßig­ter Steu­er­satz be­gehrt

Die Klä­ge­rin mel­de­te nach ihrem theo­lo­gi­schen und phi­lo­so­phi­schen Stu­di­um eine selbst­stän­di­ge Tä­tig­keit als Trau­er­red­ne­rin, Ge­stal­te­rin von Hoch­zeits­fei­ern sowie von Be­grü­ßungs­fei­ern für Neu­ge­bo­re­ne an. Sie ver­fass­te auch Bü­cher über Trau­er­re­den und die Trau­er­spra­che. In ihrer Um­satz­steu­er­jah­res­er­klä­rung für das Streit­jahr 2017 er­klär­te sie unter an­de­rem Um­sät­ze aus Trau­er- und Hoch­zeits­re­den zum er­mä­ßig­ten Um­satz­steu­er­satz von 7% mit der Be­grün­dung, ihre Reden seien krea­tiv aus­ge­stal­te­te in­di­vi­du­el­le Bot­schaf­ten. Sie gehe bei jedem An­lass nach per­sön­li­chen Ge­sprä­chen auf die Be­dürf­nis­se und per­sön­li­chen Um­stän­de ein. Sie er­stel­le Re­de­ma­nu­skrip­te auch mit ei­ge­nen Ge­dich­ten und Ge­dan­ken. Sie trage ihre Reden vor und passe diese ge­ge­be­nen­falls si­tua­ti­ons­be­dingt spon­tan an. Ihre Tä­tig­keit als "aus­üben­de Künst­le­rin" un­ter­lie­ge dem er­mä­ßig­ten Steu­er­satz.

Fi­nanz­amt wen­de­te Re­gel­steu­er­satz an

Der Be­klag­te be­steu­er­te die Um­sät­ze mit dem Re­gel­steu­er­satz von 19%. Sei­ner An­sicht nach werde his­to­risch ge­se­hen das Tä­tig­keits­bild eines Trau­er­red­ners von Ele­men­ten des Brauch­tums und der Seel­sor­ge und nicht von der Kunst be­stimmt. Wäh­rend des Kla­ge­ver­fah­rens mach­te die Klä­ge­rin de­tail­lier­te An­ga­ben zu ihrer Vor­ge­hens­wei­se und der Aus­ge­stal­tung ihrer Reden. Sie über­sand­te Re­de­tex­te, Rech­nun­gen und Links zu Vi­de­os mit ihren Trau­er­re­den. In der münd­li­chen Ver­hand­lung trug sie aus­zugs­wei­se eine Trau­er­re­de vor. Noch in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­ließ der Be­klag­te einen zu­guns­ten der Klä­ge­rin ge­än­der­ten Um­satz­steu­er­be­scheid für 2017, da er die ent­spre­chen­den Um­sät­ze zu hoch an­ge­setzt habe. Er habe die Be­mes­sungs­grund­la­ge feh­ler­haft er­mit­telt.

FG: Trau­er- und Hoch­zeits­red­ner grund­sätz­lich keine Künst­ler

Das FG wies die Klage ab. Die Um­sät­ze als Red­ne­rin seien nicht er­mä­ßigt zu be­steu­ern. Die Klä­ge­rin habe keine Um­sät­ze aus der Ein­räu­mung, Über­tra­gung und Wahr­neh­mung von Rech­ten nach dem Ur­he­ber­rechts­ge­setz er­zielt. Die je­wei­li­gen Re­de­ma­nu­skrip­te be­zie­hungs­wei­se die Ein­räu­mung von Nut­zungs­rech­ten an die­sen seien nicht der Haupt­zweck der Tä­tig­keit ge­we­sen. Deren Haupt­zweck seien die Er­ar­bei­tung einer Rede und deren Vor­trag etwa in einer Trau­er­fei­er sowie bei sol­chen Auf­trä­gen die Be­glei­tung der Trau­ern­den. Die Klä­ge­rin habe auch keine Um­sät­ze aus Ein­tritts­be­rech­ti­gun­gen für Thea­ter, Kon­zer­te und Mu­se­en sowie die den Thea­ter­vor­füh­run­gen und Kon­zer­ten ver­gleich­ba­ren Dar­bie­tun­gen aus­üben­der Künst­ler er­zielt. Zweck der eng aus­zu­le­gen­den Steu­er­be­frei­ungs­nor­men sei, zu­guns­ten der Be­su­cher von kul­tu­rel­len Ver­an­stal­tun­gen eine Preis­er­hö­hung zu ver­mei­den. Der Senat teile die An­sicht des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (BeckRS 2006, 41946), dass je­den­falls dann, wenn der Wort­bei­trag bei dem Be­gräb­nis im Vor­der­grund stehe, Trau­er­red­ner grund­sätz­lich nicht als Künst­ler an­zu­se­hen seien. Er er­gänz­te, dass es nach dem Wort­laut der Steu­er­be­frei­ungs­vor­schrift auf die "Dar­bie­tung" an­kom­me und nicht dar­auf, ob ein kunst­vol­ler Text vor­ge­tra­gen werde. Der Vor­trag müsse mit Thea­ter­vor­füh­run­gen und Kon­zer­ten ver­gleich­bar sein und einen un­ter­hal­ten­den Cha­rak­ter haben.

Keine künst­le­ri­sche Dar­bie­tung, son­dern "Ge­brauchs­re­den"

Den Schwer­punkt der Tä­tig­keit der Klä­ge­rin bilde je­doch nicht die (künst­le­ri­sche) Form des Vor­trags, son­dern sein Ge­gen­stand und In­halt. Es seien je­weils "Ge­brauchs­re­den". Es hand­le sich um Reden an­läss­lich be­stimm­ter Er­eig­nis­se. Bei sol­chen komme es zu scha­blo­nen­ar­ti­gen Wie­der­ho­lun­gen an­hand eines Re­de­ge­rüsts. So seien die Reden der Klä­ge­rin ähn­lich auf­ge­baut. Bei Trau­er­re­den werde über den Ver­stor­be­nen be­rich­tet. Ge­dich­te und eine mu­si­ka­li­sche Be­glei­tung seien üb­lich. Die Klä­ge­rin äu­ße­re durch­aus tief­sin­ni­ge Ge­dan­ken zum Leben, Ster­ben und Ab­schied­neh­men. Doch diese mach­ten die an­lass­be­zo­ge­nen Reden nicht zu einer künst­le­ri­schen Dar­bie­tung. Dies gelte auch für die Hoch­zeits­re­den. Auch bei die­sen seien trotz der etwas hö­he­ren In­di­vi­dua­li­tät der Reden deut­li­che Ge­mein­sam­kei­ten zu er­ken­nen. Das FG be­rück­sich­tig­te aber bei den Kos­ten, dass die Klä­ge­rin in­fol­ge der Neu­be­rech­nung der Be­mes­sungs­grund­la­ge zu 15% ob­siegt habe.

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.11.2021 - 14 K 982/20

Redaktion beck-aktuell, 16. Februar 2022.

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