Fast ohne Filter
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Mit Vorschlägen für eine Reform des Urheberrechts will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) die von vielen Kritikern befürchteten Upload-Filter im Internet "weithin" vermeiden – etwa bei Plattformen wie YouTube. Das erklärte sie bei der Vorstellung eines Eckpunktepapiers. Durch das "Zweite Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an den Digitalen Binnenmarkt" sollen zwei EU-Richtlinien umgesetzt werden.

Für alle etwas

Was Ressortchefin Lambrecht verspricht, klingt ein wenig nach der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises. "Mit der Modernisierung des Urheberrechts wollen wir die Rechte der Kreativen stärken, die Rechtsinhaber fair an den Erlösen beteiligen und gleichzeitig die Kommunikations- und Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer im Internet wahren", teilte sie mit. All jenen, die einst gegen die Verabschiedung der Brüsseler Vorgaben auf die Straße gegangen sind, versucht sie mit dem Hinweis, der Gefahr des "Overblocking" werde wirksam begegnet, den Wind aus den Segeln zu nehmen. In ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und SPD Uploadfilter, die geschützte Inhalte beim Hochladen durch Nutzer automatisch aussortieren, noch als unverhältnismäßig verworfen, dann aber gegenüber den anderen Mitgliedstaaten lediglich eine einschränkende "Protokollerklärung" zur Verabschiedung der Urheberrechtsrichtlinie abgegeben.

Mehrere EU-Richtlinien umzusetzen

Besonders heftig war der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss im Netz unter Beschuss geraten, als er den möglichen Einsatz von Algorithmen verteidigte. Auch jetzt ging die Diskussion in den Diskussionsforen im Web wieder munter los – kategorische Ablehnung war aber diesmal selten. Das Gesetzespaket ist übrigens schon der zweite Teil der Umsetzung von DSM-Richtlinie (Digital Single Market) und Online-SatCab-Richtlinie (Übertragungen von Sendeunternehmen per Satellit oder Kabel). Zu beherzigen hat der deutsche Gesetzgeber zudem die Digitale-Inhalte-Richtlinie aus dem vergangenen Jahr. Beim ersten Mal ging es um das Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen, die Regelung der Verlegerbeteiligung und gesetzliche Nutzungserlaubnisse insbesondere zum Text- und Data-Mining.

Umfassende Reform

Geplant ist nun ein ganzer Strauß an Neuregelungen. So soll ein eigenständiges Gesetz die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen regeln. Dieses enthält außerdem Vorschriften zu Nutzerrechten und zu Vergütungsansprüchen der Urheber. Die bereits bestehenden Vorschriften des Urhebervertragsrechts – also die Regeln für Verträge zwischen Kreativen und Verwertern – will Lambrecht anpassen. Verwertungsgesellschaften sollen künftig kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung vergeben können. Die bereits bestehenden Sondervorschriften für die Online-Veröffentlichung von vergriffenen Werken, insbesondere von nicht mehr erhältlichen Büchern, werden reformiert. Neue Bestimmungen regeln die Online-Verbreitung von Fernseh- und Radioprogrammen per Livestream und über Mediatheken.

Den Nutzern zuliebe

Das Eckpunktepapier listet die Vorhaben getrennt nach Interessengruppen auf. Den Nutzern dienen soll die ausdrückliche Erlaubnis, Karikaturen, Parodien und Pastiches (Nachahmungen) zu verwenden. Plattformen müssen ihnen die Möglichkeit bieten, sich beim Hochladen auf eine gesetzlich oder vertraglich erlaubte Nutzung zu berufen (Preflagging). Diese Inhalte sind dann – außer wenn sie offenkundig rechtswidrig sind – vor einer Sperrung geschützt. Nichtkommerzielle Bagatellnutzungen werden auch ohne Lizenz gestattet. Dazu zählen 20 Sekunden Ton oder Video, 1.000 Zeichen Text und 250 Kilobyte Fotos bzw. Grafiken.

Wirtschaftliche Interessen

Kreative wiederum erhalten einen direkten Vergütungsanspruch gegen die Plattformen für lizenzierte Inhalte, die über Verwertungsgesellschaften geltend zu machen sind. Auch bekommen sie etwas ab von der pauschalen Vergütung für geringfügige Nutzungen. Wird ihr Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt, können sie Entfernung und Sperrung verlangen. Weitere Regeln sollen der Kulturwirtschaft insgesamt zugute kommen. Und schließlich sollen Plattformen durch die Copyright-Reform Rechtssicherheit erhalten – etwa durch Ausnahmen für Startup-Unternehmen und Kleinstplattformen. Lambrecht unterstreicht: "Inhalte, die exklusiv auf Bezahl-Plattformen vermarktet werden sollen, können wir in unlizenzierten Uploads von Nutzern nicht dulden."

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn, 25. Juni 2020.