Familiennachzug zu Kind trotz "Zweckvaterschaftsanerkennung"
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Eine Zweckvaterschaftsanerkennung hindert nicht den Familiennachzug der ausländischen Mutter zu ihrem minderjährigen deutschen Kind. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG, der den Familiennachzug ausschließt, sei nämlich nicht anwendbar, so das Bundesverwaltungsgericht, wenn eine leibliche ausländische Mutter zu ihrem minderjährigen Kind zieht, dessen deutsche Staatsangehörigkeit aus der rechtlich wirksamen Anerkennung durch einen deutschen Staatsangehörigen folgt.

Zweckvaterschaftsanerkennung vermutet

Die Klägerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, reiste im Mai 2005 nach Deutschland. Nach der Rücknahme eines Asylantrages wurde ihr Aufenthalt zunächst geduldet. Im Mai 2006 erkannte ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft für ihren seinerzeit noch ungeborenen Sohn an. In der Folgezeit wurde ihr eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt. Im November 2009 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen ihr und ihrem Sohn (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Wegen des Verdachts einer Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen (Zweckvaterschaftsanerkennung) wurde der Antrag nicht beschieden.

VGH bejaht Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis

Ein behördlicher Vaterschaftsanfechtungsantrag wurde im Anschluss an die Feststellung der Nichtigkeit des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. durch das Bundesverfassungsgericht zurückgenommen. Auf die beim Verwaltungsgericht erfolglose Untätigkeitsklage hin hat der Verwaltungsgerichtshof die Ausländerbehörde zur auch rückwirkenden Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis verpflichtet. Die Ausschlussklausel des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei nicht auf den Nachzugsanspruch einer ausländischen Mutter zu ihrem deutschen Kind anzuwenden, das die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der Vaterschaftsanerkennung durch einen Deutschen erworben hat, so der VGH (BeckRS 2019, 7797).

BVerwG: Kein Verwandtschaftsverhältnis zu nachzugswilliger Mutter begründet

Das BVerwG hat die Entscheidung des VGH zur Unanwendbarkeit der Ausschlussklausel bestätigt. Der Erste Senat hat dabei offengelassen, ob § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG Vaterschaftsanerkennungen insgesamt nicht erfasst und den Familiennachzug nur bei Ehen, Lebenspartnerschaften und Adoptionen ausschließt, die allein der Ermöglichung des Aufenthalts im Bundesgebiet dienen. § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG sei jedenfalls dann nicht auf eine Vaterschaftsanerkennung anzuwenden, wenn diese nicht das Verwandtschaftsverhältnis zwischen nachzugswilligem Ausländer (hier: der Mutter) und dem im Deutschland lebenden Familienmitglied (hier: deren Sohn) begründet. Die Anerkennung der Vaterschaft eines Kindes durch einen Deutschen mit dem Ziel, der ausländischen Mutter des Kindes den Familiennachzug zu ermöglichen, begründe weder zwischen dem Anerkennenden und der ausländischen Mutter noch zwischen dieser und ihrem Kind ein Verwandtschaftsverhältnis im Sinne des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG.

BVerwG, Urteil vom 26.05.2020 - 1 C 12.19

Redaktion beck-aktuell, 27. Mai 2020.