Familie ließ kranke Tochter sterben - BGH hebt Limburger Urteil auf

Der Fall einer jungen Frau mit Downsyndrom, der die Familie beim Sterben an Insulinmangel zusah, ohne Hilfe zu holen, muss noch einmal neu verhandelt werden. Der Bundesgerichtshof hob am Mittwoch die Verurteilung der Eltern zu jeweils zwei Jahren Haft auf Bewährung auf. Auch der Freispruch für die Schwester der Toten hatte keinen Bestand. Das Landgericht Limburg habe sein Urteil nicht ausreichend begründet, bemängelten die Karlsruher Richter.

Diabeteskrankes Opfer starb an Stoffwechselentgleisung

Nach den Feststellungen des Landgerichts litt das Opfer, die Tochter beziehungsweise Schwester der Angeklagten, an Trisomie 21 sowie an Diabetes mellitus vom Typ I. Sie verstarb am 31.10.2016 im Alter von 21 Jahren im elterlichen Wohnzimmer infolge einer Stoffwechselentgleisung durch Insulinmangel. Im Verlauf des Todestages war es zu einer dramatischen Verschlechterung ihres Zustands mit Erbrechen und einer zunehmenden Bewusstseinseintrübung gekommen.

Eltern und Schwester unternahmen nichts

Obwohl alle drei Angeklagten diese Umstände erkannten und als typische Symptome einer lebensbedrohenden Ketoazidose hätten verstehen können, riefen sie keine ärztliche Hilfe herbei, mit der die Geschädigte hätte gerettet werden können. Sie fanden sich am Abend bei der Geschädigten im Wohnzimmer ein, entkleideten diese und hüllten sie in eine Decke. Eine letzte Blutzuckermessung durch die Mutter ergab einen alarmierend hohen Wert. Kurze Zeit später setzte der Atem der dann in den Armen ihrer Schwester liegenden Geschädigten aus. Auf einen vom Vater angewählten und von der Schwester der Verstorbenen erklärten Notruf trafen Rettungssanitäter und eine Notärztin ein, denen es aber nicht gelang, die Geschädigte wiederzubeleben.

LG begründete Verurteilung der Eltern und Freispruch der Schwester mit fehlender Stimmenmehrheit

Die Schwurgerichtskammer hat die Verurteilung der Eltern nur wegen fahrlässiger Tötung statt des angeklagten Totschlags durch Unterlassen im Urteil damit begründet, bei der Beratung und Abstimmung im Kollegium sei nicht die für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts erforderliche Stimmenmehrheit erreicht worden. Die Schwester der Verstorbenen sei freizusprechen gewesen, weil keine Stimmenmehrheit für deren Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung erzielt worden sei.

BGH hebt Urteil wegen unzureichender Beweiswürdigung auf

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, weil die Beweiswürdigung nicht die gebotene Gesamtwürdigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände habe erkennen lassen. Der Hinweis auf das Abstimmungsergebnis genüge nicht. Soweit das Landgericht nicht eindeutig eine Abstimmung auch für die Annahme von Fahrlässigkeit beider Eltern mitgeteilt habe, sei die Urteilsaufhebung auch zu deren Gunsten erfolgt. Die Sache bedürfe demnach neuer Verhandlung und Entscheidung. Hierbei sei auch eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu erwägen.

BGH, Urteil vom 31.03.2021 - 2 StR 109/20

Redaktion beck-aktuell, 1. April 2021.