Der Entwurf für das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz, über den der Bundestag am Donnerstag abschließend berät, soll mit Verfahrensvereinfachungen dafür sorgen, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht abgeschoben werden. Bislang scheitern Abschiebungen oft im letzten Moment, etwa weil Betroffene nicht auffindbar sind. Deshalb soll beispielsweise die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams künftig von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert werden. Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen.
"Mit unserem Gesetzespaket sorgen wir dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen", sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) der "Rheinischen Post". Mit einer Reihe von Neuerungen werde verhindert, dass Personen untertauchen, bevor sie abgeschoben werden könnten. "Diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen - wie die 1,1 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine2, so Faeser. "Und diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz von Geflüchteten erhalten und die Integration gelingt."
Kritik aus den Reihen der Grünen
Die Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla, warnte dagegen: "Das Abschiebegesetz bedeutet eine unfassbare Entrechtung von Menschen, die eigentlich dringend Schutz bräuchten", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Aus ihrer Sicht lässt sich die Bundesregierung von Rechten treiben.
Auch der Grünen-Europaparlamentarier Erik Marquardt hatte den Gesetzentwurf infrage gestellt. Grund dafür waren mehrere Gutachten von Juristen, die befürchten, dass Seenotretter und andere Menschen, die Geflüchteten unentgeltlich helfen, eine Grenze zu überqueren, künftig strafrechtlich verfolgt werden könnten. "Unstrittig ist, dass es in der Migrationspolitik auch in Deutschland Herausforderungen gibt, die gelöst werden müssen", so Marquardt gegenüber Deutschen Presse-Agentur. Mit dieser Gesetzesordnung folge man aber "einer Agenda der Rechten, mit der humanitäre Hilfe kriminalisiert werden kann". Dies sei gerade in Zeiten wie diesen ein völlig falsches Signal. Der Entwurf beinhalte eine Passage, "die dazu führen würde, dass humanitäre Hilfe und Seenotrettung mit dem Geschäft von Schleppern, die von Geflüchteten Geld nehmen, gleichgesetzt werden kann". So etwas sollten die Grünen ablehnen und nachverhandeln.
Die abschließende Beratung und Abstimmung am Donnerstag werde wie geplant erfolgen, bestätigte der Grünen-Politiker Helge Limburg, Mitglied im Rechtsausschuss des Bundestags, auf Anfrage. Er sagte: "Wir prüfen das jetzt in aller Ruhe und falls es gesetzgeberischen Klarstellungsbedarf gibt, werden wir das zeitnah klarstellen." Die Koalitionäre seien sich einig, dass man keine Kriminalisierung von Seenotrettern wolle.
Von der Union gab es ebenfalls kritische Worte. "Die Grünen schreiben eine Pflicht ins Gesetz, Anwälte vor Ausreisegewahrsam über die Maßnahmen zu informieren - damit werden die Ausreisepflichtigen aber über alle Berge sein, wenn sie in Haft genommen werden sollen", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Das Rückführungsverbesserungsgesetz sei in Wirklichkeit ein "Rückführungsverschlechterungsgesetz".
Auch DAV äußert Bedenken
Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) äußerte erneut Kritik an dem Entwurf. Dass Kinder und Familien mit Kindern künftig grundsätzlich nicht mehr in Haft genommen werden sollen, sei ein wichtiger Schritt, erklärt Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des DAV-Ausschusses Migrationsrecht. Denn auch EGMR und EuGH erlaubten in ihrer Rechtsprechung die Inhaftierung von Kindern nur als letztes Mittel. Der DAV begrüßt auch, dass eine Norm, die die Kriminalisierung der Seenotrettung zur Folge gehabt hätte, entfallen soll, und, dass dass bei Abschiebehaft künftig verpflichtend ein Anwalt hinzugezogen werden muss.
Kritisch sieht der DAV hingegen die "28-Tage-Regelung" zum Ausreisegewahrsam. Diese würde dazu führen, dass jeder ausreisepflichtige Ausländer, der das Land nicht innerhalb der gesetzten Frist verlässt, für 28 Tage in Haft genommen werden könnte. "Die Haftkriterien in diesem Bereich sind ohnehin schon messerscharf. Die nun zur Debatte stehende Regelung ist kaum noch im Bereich der Verhältnismäßigkeit", gibt Seidler zu bedenken.
Das träfe auch auf die willkürliche Erhöhung der Wartezeit auf drei Jahre für einen Zugang zu ungekürzten existenzsichernden Leistungen und uneingeschränkter Gesundheitsversorgung zu. "Damit werden nicht nur die Ziele des Koalitionsvertrages, sondern auch die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Bemessung der zu gewährenden Leistungen missachtet", meint die Rechtsanwältin. Eine Abweichung vom Normalmaß der Leistungen sei laut BVerfG nur bei Kurzaufenthalten zulässig – davon könne aber bei einer Dauer von drei Jahren keine Rede mehr sein.
Die Migrationsrechtlerin bedauert außerdem, dass keine Änderung bei der Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren erfolgt ist. "Eine Regelungslücke besteht hier nicht, dafür zieht eine solche Norm viele Schwierigkeiten nach sich", erläutert sie. Der Deutsche Anwaltverein hatte bereits in der Vergangenheit davor gewarnt, dass die Einführung dieses Straftatbestandes nicht nur Anwältinnen und Anwälte kriminalisieren könnte, die die Schilderungen ihrer Mandanten vortragen. "Auch die Asylsuchenden selbst könnten damit unter Strafandrohung dazu gezwungen werden, sich eines Einreisedelikts oder einer Straftat im Heimatland zu bezichtigen." Das stünde im Widerspruch zur grundrechtlich geschützten Selbstbelastungsfreiheit.