Explodierende Energiepreise: Wie die Koalition Bürger entlasten will
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Die Ampel-Koalition reagiert auf die explodierenden Energiepreise und hat ein milliardenschweres Paket beschlossen. Es enthält Entlastungen auf der Stromrechnung genau wie Steuererleichterungen und Einmalzahlungen für besonders Bedürftige. "Wir lassen die Menschen nicht allein in der gegenwärtigen Situation", sagte FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner. Offen ist, ob die Maßnahmen ausreichen, um den Preisanstieg an der Tankstelle und die erwarteten Nachzahlungen bei der Abrechnung für Strom und Heizen auszugleichen.

Länder müssen zum Teil noch zustimmen

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sprach von einem starken Paket, "mit dem wir für die ganze Gesellschaft ein Angebot haben, und ich glaube gerade in schwierigen Zeiten eine Form von Sicherheitsanker bieten für die Menschen in diesem Land." Es sei wichtig, dass das Leben in seinen Grundbedürfnissen auch bezahlbar bleibe, betonte SPD-Chefin Saskia Esken. Einigen Bausteinen des Pakets müssen die Länder noch zustimmen, Lindner und Esken zeigten sich hier allerdings zuversichtlich. Die Entlastungen kommen, weil die Preise für Heizöl, Gas, Sprit und Strom in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts mussten Verbraucher im Januar 20,5% mehr für Energie zahlen als ein Jahr zuvor. Besonders kräftig zogen im Jahresvergleich die Preise für Heizöl (plus 51,9%) und Erdgas (plus 32,2%) an. Doch jetzt könnte es noch schlimmer kommen. Nach der russischen Eskalation der Ukraine-Krise erwarten Experten, dass vor allem der Gaspreis noch einmal kräftig steigt – denn Russland ist Deutschlands wichtigster Gaslieferant.

Ökostrom-Ausbau soll vorangetrieben werden

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte das Entlastungspaket auch in diesen Zusammenhang gestellt: "Wir können ja kaum in den Weltmarktpreis eingreifen, bei Gas oder bei Öl", sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Mittelfristig will die Bundesregierung dafür sorgen, dass Deutschland durch einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne weniger abhängig von fossilen Energieträgern wie russischem Gas wird. Bis dahin sollen andere Maßnahmen den Preisanstieg für die Bürger abfedern. Es ist der zentrale Baustein des Pakets: Schon ab Juli sollen die Bürger die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom nicht mehr über die Stromrechnung zahlen. Ursprünglich war dieser Schritt erst für Anfang 2023 geplant. Die Koalition erwartet ausdrücklich, dass die Energieversorger die Entlastung auch in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben – sicher ist das jedoch nicht.

Bundeshaushalt soll künftig EEG-Umlage finanzieren

Bisher beträgt die Umlage über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 3,72 Cent pro Kilowattstunde. Nach Berechnungen des Preisportals Verivox sorgt eine Abschaffung zur Jahresmitte dafür, dass ein Drei-Personen-Haushalt mit Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden in diesem Jahr rund 89 Euro spart. Bei Haushalten mit einem Jahresverbrauch von 6.000 Kilowattstunden geht es demnach um rund 133 Euro. Ob das den allgemeinen Preisanstieg ausgleichen kann, ist allerdings offen. Den Bund kostet die vorzeitige Abschaffung laut Lindner rund 6,6 Milliarden Euro. Die EEG-Umlage soll künftig über den Bundeshaushalt finanziert werden.

Höhere Pendlerpauschale für Fernpendler

Angesichts der gestiegenen Spritpreise soll die am 01.01.2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler – ab dem 21. Kilometer – vorgezogen werden. Sie soll rückwirkend zum 01.01.2022 nun 38 Cent betragen. Der Bundesrat muss allerdings zustimmen. Wer weniger weit pendeln müsse, werde über eine höhere Werbungskostenpauschale ebenfalls entlastet, betonten die Koalitionsspitzen. Die Pendlerpauschale ist in der Steuererklärung Teil der Werbungskosten. Derzeit beträgt die Pauschale bis zum 20. Kilometer 30 Cent, ab dem 21. Kilometer 35 Cent. Eine höhere Pendlerpauschale war vor allem bei den Grünen umstritten. Die Koalition verabredete nun, noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Pendlerpauschale zu schaffen, die ökologisch-soziale Belange besser berücksichtigen soll.

Soforthilfen für Familien und Leistungsempfänger

Außerdem drückt die Koalition bei einer bereits vereinbarten Leistung aufs Gas: Der Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder soll zum 01.07.2022 auf den Weg gebracht werden. Er soll in Höhe von 20 Euro pro Monat bis zur Einführung der Kindergrundsicherung denjenigen Kindern helfen, die besondere finanzielle Unterstützung brauchen. Der Kinderzuschlag beträgt seit dem 01.01.2022 bis zu 209 Euro monatlich je Kind und soll zusammen mit dem Kindergeld den Bedarf eines Kindes decken. Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe sollen einen einmaligen Zuschuss von 100 Euro bekommen. Im Papier ist die Rede von einem "Coronazuschuss". Das Kabinett hat ihn bereits beschlossen – jetzt wird der einmalige Heizkostenzuschuss für finanzschwache Haushalte im Bundestag debattiert. Der Plan der Bundesregierung sieht vor, Mehrbelastungen für Haushalte, die Wohngeld bekommen, für Auszubildende und Studierende mit geringen Einkommen durch eine Einmalzahlung abzufedern. Ein Single-Haushalt soll im Sommer einen Zuschuss von 135 Euro bekommen, Familien entsprechend mehr. An den Summen gab es allerdings einige Kritik: Das Geld reiche lange nicht bei allen aus, um die im Sommer erwartete Nachzahlung zu stemmen, meinen Verbraucherschützer.

Höhere Freibeträge in der Steuererklärung

Weiter soll es höhere steuerliche Freibeträge geben. Davon profitieren alle Arbeitnehmer, die eine Steuererklärung einreichen: Die Werbekostenpauschale – offiziell Arbeitnehmerpauschbetrag – wird rückwirkend zum Jahresbeginn um 200 Euro auf 1.200 Euro erhöht. Außerdem steigt der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer von derzeit 9.984 Euro auf 10.347 Euro. Beide Maßnahmen zusammen kosteten den Staat rund vier Milliarden Euro, sagte Lindner. 

Redaktion beck-aktuell, Theresa Münch und Andreas Hoenig, 24. Februar 2022 (dpa).

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