Vorschriften der Grundbesitzbewertung werden angepasst
Durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2008 wurde die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung eines Beschlusses des BVerfG von 2006 in enger Anlehnung an die anerkannten Vorschriften der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs grundlegend reformiert. Das BVerfG hatte damals entschieden, dass bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Verkehrswert der Besteuerungsmaßstab ist. Im Jahr 2021 wurden die bis dahin verstreut geregelten und nicht bundeseinheitlich bestehenden Vorgaben zur Ermittlung des Verkehrswerts sowie zur Ermittlung der Bodenrichtwerte und der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten in einer einheitlichen Immobilienwertermittlungsverordnung 2021 (ImmoWertV 2021) zusammengefasst.
Neue Wertermittlung hat Steuererhöhungen um bis zu 50% zur Folge
Das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022), das Mitte Oktober erstmals vom Bundestag beraten und anschließend von den Sachverständigen im Finanzausschuss unter die Lupe genommen wurde, sieht nun vor, dass das Bewertungsverfahren an die ImmoWertV 2021 beziehungsweise an die aktuellen Marktverhältnisse angepasst wird. Da die Immobilienpreise in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, fallen auch die Bewertungen dementsprechend höher aus, welche wiederum der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer zugrunde liegen werden. Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik bei Haus & Grund Deutschland spricht gegenüber der "WirtschaftsWoche" von "einigen unauffällig wirkenden Stellschrauben, die die Werte, die das Finanzamt ansetzt, gehörig nach oben treiben können". Sie geht davon aus, dass sich die Erbschafts- und Schenkungssteuer für Wohnhäuser und Eigentumswohnungen um 20% bis 30% erhöhen wird. Bei bestimmten, insbesondere (teil-)gewerblich genutzten Immobilien drohe sogar eine Verdoppelung.
Problem: Freibeträge werden nicht erhöht
Das Problem der befürchteten deutlich erhöhten Steuerlast ergebe sich daraus, dass mit dem JStG 2022 zwar die für die Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer geltenden Werte der Immobilen deutlich angehoben würden, nicht jedoch die geltenden Freibeträge, erklärt der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident der Deutschen Anwalts‑, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. (DANSEF). Dafür muss man wissen: Erben und Schenken wird steuerlich weitestgehend gleich behandelt. Es gibt je nach Verwandtschaftsgrad/Nähebeziehung drei Steuerklassen, unterschiedliche Steuersätze und unterschiedliche Freibeträge. Letztere liegen derzeit für Eheleute bei 500.000 Euro, für Kinder bei 400.000 Euro und für Enkelkinder bei 200.000 Euro. Insbesondere bei Immobilen in der Großstadt oder Großstadtnähe dürften die Freibeträge künftig deutlich überschritten werden, sodass Erben und Beschenkten ab 2023 eine deutlich höhere Steuerlast trifft, so Passau.
Vor allem finanziell schwache Erben benachteiligt
Durch die neuen Werte könnten in manchen Familien künftig Notverkäufe von Immobilien drohen. Der Fiskus verlangt die Erbschaftssteuer nämlich bereits kurze Zeit nach dem Erbfall und nicht etwa erst nach einem Verkauf der Immobilie zum Verkehrswert. Dies kann insbesondere in Erbengemeinschaften, die sich nicht einigen können, wie sie mit der Immobilie verfahren wollen, zum Problem werden. Wer die steuerliche Last nach einer Erbschaft nicht schultern kann, ist zum sofortigen, womöglich unattraktiven Verkauf seines Anteils gezwungen. Leidtragende dürften in der Regel die finanziell schwächer gestellten Miterben sein. Obwohl Immobilienverbände derzeit gegen die geplante Änderung Sturm laufen, schätzen Expertinnen und Experten die Wahrscheinlichkeit, dass in den letzten Zügen noch etwas an dem Gesetz geändert wird, laut dem Wirtschaftsblog für die Regionen Ostwestfalen-Lippe, Münster und Osnabrück "www.wirtschaft-regional.net" als sehr gering ein.
Torschlusspanik bei Betroffenen
Insofern rät Passau vom DANSEF denjenigen Immobilieneigentümern, die bereits mit dem Gedanken spielen, Immobilien etwa an die Kinder zu übertragen, sich zu sputen und noch dieses Jahr tätig zu werden - und zwar aus folgendem Grund: "Steuerrechtlich gilt eine Schenkung dann als ausgeführt, wenn die Auflassung in dem (notariellen) Schenkungsvertrag erklärt und die Eintragungsbewilligung der Eigentumsänderung formgerecht abgegeben wurde." Übertragungen zu den bisherigen steuerlichen Regeln sind daher durch notarielle Beurkundung noch bis Ende diesen Jahres möglich. Steuerberater Paul Heinrich Fallenberg von der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft HLB Schumacher in Münster warnt im Gespräch mit "www.wirtschaft-regional.net" vor einer Torschlusspanik bei den Betroffenen. "Der Jahresendspurt bei Steuerberatern, Anwälten und Notaren wird in diesem Jahr besonders krass ausfallen." Bevor das JStG 2022 Ende des Jahres in Kraft treten kann, müssen jedoch erst noch der Bundestag und der Bundesrat den Neuregelung zustimmen.