Experten uneins über Sonderabschreibung zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus

Der von der Regierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus (BT-Drs. 19/4949) ist bei der Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am 19.11.2018 teils auf scharfe Kritik gestoßen. Umstritten ist insbesondere die im Gesetzentwurf vorgesehene Sonderabschreibung in Höhe von fünf Prozent pro Jahr, allerdings befristet bis Ende 2021. Ziel der Maßnahme ist es, möglichst zeitnah private Investoren zum Neubau von Mietwohnungen anzuregen.

Voraussetzungen für die Sonderabschreibung

Daneben werden mit der Sonderabschreibung laut Entwurf auch Maßnahmen zur Schaffung neuer Wohnungen in bestehenden Gebäuden gefördert. Die Sonderabschreibung soll zusätzlich zur bestehenden linearen Abschreibung gewährt werden. Die Kosten werden von der Regierung für das Jahr 2020 mit fünf Millionen Euro, für das Jahr 2021 mit 95 Millionen Euro und für 2022 mit 310 Millionen Euro angegeben. Voraussetzung für die Sonderabschreibung ist, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten 3.000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen, um den Bau bezahlbarer Mietwohnungen anzuregen. Außerdem muss die Wohnung im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen.

Zweifel an Erfolg der Maßnahme

Bei der Anhörung gab es viel Kritik an der geplanten Sonderabschreibung, unter anderem von Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er bezweifelt, dass die Maßnahme dort für zusätzliche Neubauinvestitionen sorgen werde, wo sie nachgefragt werden. Zu befürchten seien hingegen hohe Mitnahmeeffekte, weiter steigende Bau- und Immobilienpreise sowie räumliche Fehllenkungen. Michelsen erklärte weiter, er halte es für unwahrscheinlich, dass gerade in Städten mit großer Wohnraumknappheit "die Förderung zusätzlichen Neubau auf unbebauten Flächen anreizt". Ein Impuls könne allenfalls von der Förderung von Bestandsmaßnahmen ausgehen. So seien die Potenziale der Nachverdichtung noch nicht ausgeschöpft. Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) warnte davor, in Zeiten einer konjunkturellen Hochphase zum Mittel der zeitlich begrenzten Sonderabschreibung zu greifen. Dies könne zu weiter steigenden Baupreisen führen. Besser seien längerfristige Maßnahmen.

Experten für Erhöhung der linearen Abschreibung

Aus anderen Gründen übten Verbände wie "Haus und Grund" Kritik an den Regierungsplänen. Die Höhe der Abschreibung sei im Hinblick auf das verfolgte Ziel der Wohnraumschaffung angesichts der weiter steigenden Baukosten unzureichend. Weitaus effektiver wäre es, die lineare Abschreibung von derzeit zwei Prozent zu erhöhen. Auch der Bundesverband deutscher Immobilien- und Wohnungsunternehmen (GDW) forderte die Anhebung der linearen Abschreibung auf drei Prozent. Sonderabschreibungen, wie sie die Regierung vorschlage, würden nur einen kurzfristigen Effekt bieten und die Gefahr bergen, "in der ohnehin völlig überhitzten Baukonjunktur zu verpuffen". Notwendig seien Signale, die auch das Baugewerbe motivieren würden, die Kapazitäten dauerhaft zu erweitern.

Deckelung der Baukosten in der Kritik

Praxisfern ist nach Ansicht der ZIA auch die Begrenzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf maximal 3.000 Euro pro Quadratmeter. Auch der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) kritisierte unter anderem  die von der Regierung geplante Kostenobergrenze. Es gebe angesichts zunehmender Singularisierung einen wachsenden Bedarf an kleinen Wohnungen. Kleine Wohnungen zu bauen bedeute einen höheren Aufwand wegen des kostenintensiven technischen Ausbaus. Gerade hier könnte ein Hebel zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus liegen, indem die förderfähige Fläche je Wohneinheit begrenzt werde, so der BFW.

Stark gestiegene Baukosten und andere Investitionshemmnisse

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft verwiesen in einer gemeinsamen Stellungnahme ebenfalls auf stark gestiegene Baukosten und die deutlich gestiegene Grunderwerbsteuer, die die Schaffung günstigen Wohnraums erschweren würden. Der Mangel an günstigem Bauland und die langen Genehmigungsverfahren seien zudem große Investitionshemmnisse. Die gute Auslastung des Baugewerbes und der Fachkräftemangel würden es den Betrieben erschweren, zusätzliche Kapazitäten aufzubauen. Daher, ist sich der Zentralverband des deutschen Handwerks sicher, werde das Gesetz nicht die gewünschten Effekte haben. Auch für die UTB Projektmanagement GmbH wird das Ziel des Gesetzes wegen fehlender Kapazitäten der Bauwirtschaft nicht erreicht werden.

Mieterbund vermisst Mietobergrenze

Der Deutsche Mieterbund vermisste wiederum eine Mietobergrenze in dem Entwurf: "Damit kann nicht sichergestellt werden, dass die steuerlich geförderten Mietwohnungen nach Fertigstellung tatsächlich im bezahlbaren Mietsegment angeboten werden." Die "zwingend notwendige" Mietobergrenze könne sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt erklärte in ihrer Stellungnahme, die für die Sonderabschreibung vorgeschriebenen Mittel sollten besser für die direkte Förderung der Schaffung von Sozialwohnungen eingesetzt werden.

Bundesrechnungshof warnt vor hohem Verwaltungsaufwand

Der Bundesrechnungshof erklärte in seiner Stellungnahme, die Neuregelung sei für die Finanzämter nur schwer nachzuvollziehen und werde mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden sein. Außerdem sah der Bundesrechnungshof Probleme bei der Vereinbarkeit mit europäischem Recht.

Redaktion beck-aktuell, 20. November 2018.