DGB fordert Nachbesserungen zur Wartezeit und Einkommensanrechnung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), vertreten durch Markus Hofmann, setzte sich für eine deutliche Korrektur an zwei Stellen ein: Die Erfüllung der 33 Jahre Wartezeit sei zu erleichtern und gerechter zu gestalten. Es sei unverständlich, dass im Fall einer Erwerbsminderung vor dem 48. Lebensjahr die Wartezeit objektiv rechtlich auch bei ununterbrochener Erwerbsbiographie nicht erfüllt werden könne. Zum Zweiten sollte auf die Einkommensanrechnung vollständig verzichtet werden. Sie mache das Gesetz unnötig kompliziert.
Rentenversicherer erwartet Auszahlung nicht vor Juli 2021
Für die Deutsche Rentenversicherung Bund machte Stephan Fasshauer geltend, dass die äußerst umfangreichen IT-Systemanpassungen im hochkomplexen Rentensystem auf Basis des aktuellen Entwurfs eine Auszahlung des Zuschlags frühestens ab Juli 2021 möglich machten. Die vorgesehene Einkommensprüfung sei trotz des geplanten Datenaustauschverfahrens mit der Finanzverwaltung mit einem hohen Bürokratieaufwand verbunden. 1.700 Stellen seien dafür nötig.
BDA gegen Gesetzentwurf
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), vertreten durch Alexander Gunkel, forderte den Gesetzgeber auf, die Reißleine zu ziehen und dem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Die geplante Grundrente schaffe gravierende neue Ungerechtigkeiten im Rentensystem, wirke nicht zielgenau gegen Altersarmut, sei hochbürokratisch und nicht verlässlich finanziert.
SoVD lobt Verzicht auf Bedürftigkeitsprüfung
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) würdigte, dass mit dem Gesetzesvorhaben langjährige Forderungen von ihm umgesetzt werden sollen. Der Verzicht auf eine Bedürftigkeitsprüfung sei richtig und stehe im Einklang mit dem Charakter der Rente als Versicherungsleistung. Legitimität und Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung würden gestärkt. Für den Verband sprach Henriette Wunderlich.
DIW: Einkommensprüfung ein neues Element der Versicherungsleistung
Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) machte klar, dass mit der Einkommensprüfung tatsächlich ein neues Element in die Versicherungsleistung eingeführt werde. Es sei unklar, ob dadurch die Zielgenauigkeit der Maßnahme im Sinne des Gesetzentwurfs erhöht wird. Denn die Höhe der Grundrente orientiere sich nicht mehr nur an der sogenannten Lebensleistung, sondern auch am sonstigen Einkommen des Haushalts.
Bremer Professor lobt Lösungssuche im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung
Frank Nullmeier von der Universität Bremen meinte, grundsätzlich sei sehr zu begrüßen, dass die mit dem Gesetzentwurf angestrebten Ziele im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung gelöst werden sollen. Es werde gerade nicht die Möglichkeit gewählt, Veränderungen allein im System der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorzunehmen oder ein zusätzliches System zur Altersarmutsbekämpfung zu schaffen. Ute Klammer (Universität Duisburg/Essen) hielt es für wichtig, dass die Grundrente nun wie im Koalitionsvertrag vereinbart und trotz Corona kommt. Das Ziel bestehe ja laut Koalitionsbeschluss darin, die Lebensleistung anzuerkennen, weil dies durch die Rentenkürzung beziehungsweise Rentenberechnung nicht mehr gewährleistet sei. Nun damit zu argumentieren, dass die Corona-Ausgaben die geplante Steuerfinanzierung nicht zulassen würde, wäre nach ihrer Einschätzung ein verheerendes Signal.
Unis auch mit Kritik
Eckart Bomsdorf von der Universität Köln befand, im Grunde handele es sich bei der Grundrente um einen Rentenzuschuss oder einen Rentenzuschlag - genauer: Entgeltpunktezuschlag. Dieser solle auf eine sehr komplexe, für die einzelnen Personen kaum nachvollziehbare Weise berechnet werden und werde für viele - auch für bisherige Grundsicherungsbezieher - eine Enttäuschung sein. Martin Werding von der Universität Bochum lenkte unter anderem den Blick darauf, dass die Perspektiven für die kurz- bis mittelfristige Entwicklung der Rentenfinanzen auch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie und ihrer Bekämpfung eingetrübt würden. Nach Ansicht von Professor Georg Cremer von der Uni Freiburg wirft die Grundrente neue Gerechtigkeitsfragen auf. Wer in einer Halbtagstätigkeit 35 Jahre Grundrentenzeiten aufbringe, erhalte die volle Grundrente. Wer in einer Vollzeittätigkeit weniger als 33 Jahre erreiche, gehe völlig leer aus, auch wenn er weit höhere Beiträge geleistet habe.