Experten über Kohleausstiegsgesetz uneins

Die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen zum Kohleausstieg stoßen bei manchen Experten aus unterschiedlichen Gründen auf Kritik. Dies zeigte sich bei einem Fachgespräch zum Thema "Ökologische Aspekte des Kohleausstiegs" am 16.06.2020 im Umweltausschuss des Bundestages. Angesprochen wurde insbesondere der Entwurf der Bundesregierung zum Kohleausstiegsgesetz (BT-Drs. 19/17342).

Bergbau gefährdet Wasserhaushalt

Martin Socher vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft legte dar, dass der Braunkohlebergbau umfassend in den Wasserhaushalt der betroffenen Regionen eingreife. Im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier überlagerten sich die Maßnahmen zur Sanierung des Wasserhaushalts mit dem weiteren Eingriff durch den aktiven Bergbau insbesondere in den Grundwasserhaushalt.

Aktives Wassermanagement wichtig

Für die Entwicklung der Regionen sei ein aktives Wassermanagement notwendig, so Socher weiter. Ohne dies sei der Strukturwandel insgesamt gefährdet. Die bereits laufenden Maßnahmen der Wasserhaushaltssanierung müssten umfassend in die Gesamtstrategie zu Braunkohleausstieg, Energiewende und Strukturstärkung eingebunden werden.

Nachbesserung beim Kohleausstieg gefordert

Kai Niebert vom Deutschen Naturschutzring forderte wiederum, den vorgesehenen Ausstiegspfad aus der Braunkohle und das Ausschreibungsvolumen der Steinkohle substanziell nachzubessern. Ein klimawissenschaftlich belastbarer Pfad müsse mit einem 65%-Klimaziel für die EU kompatibel sein, mindestens mit einem europäischen 55%-Ziel bis 2030. Völlig inakzeptabel sei, wie geplant, ein Pfad, der von dem von der Kohlekommission empfohlenen Niveau eklatant abweiche. Überdies blieben die Entschädigungszahlungen an die Braunkohlebetreiber intransparent und entbehrten jeglicher sachlicher Begründung.

Zweifel an Grundgesetzkonformität

Björn Peters von Peters Coll., einem Forschungs- und Beratungsinstitut, meldete erhebliche Zweifel daran an, dass das geplante Gesetz zum Kohleausstieg grundgesetzkonform ist. Es sei nicht aufgrund einer Güterabwägung zustande gekommen. Auch wenn es viele gute umweltpolitische Gründe für den Kohleausstieg gebe, stehe der Nutzen des Kohleausstieggesetzes für die Umwelt in keinem ausreichend positiven Verhältnis zum Schaden an verschiedenen Schutzgütern des Grundgesetzes. Insbesondere sei es nicht ausreichend geeignet, erforderlich und angemessen, um einer Klimaerwärmung entgegenzuwirken.

Klimapolitische Wirksamkeit ungewiss

Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung verwies darauf, dass der Zweck des Kohleausstieggesetzes, nämlich die Reduzierung von Emissionen, in den nationalen und europäischen klima- und energiepolitischen Rahmen eingebettet sei. Auf europäischer Ebene ergäben sich besondere Implikationen aufgrund der überlappenden Regulierung durch den europäischen Emissionshandel. Werde dabei die EU-weite Zusätzlichkeit der Emissionsreduktionen durch den Kohleausstieg nicht garantiert, bleibe der Kohleausstieg klimapolitisch letztendlich wirkungslos.

Historische Chance vertan

Peter Ahmels von der Deutschen Umwelthilfe kritisierte, dass das geplante Gesetz zur Beendigung der Kohleverstromung hinter den ohnehin schon schwachen Ambitionen des Klimaschutzgesetzes und auch hinter den Empfehlungen der Kohlekommission zurückbleibe. So verwies er auf die geplante spätere Abschaltung von Braunkohle-Kraftwerken. Er sah die historische Chance vertan, in dem Gesetzentwurf eine eigenständige Förderung der Erneuerbare-Energien-Fernwärme aufzunehmen.

Langfristige Interessen der Allgemeinheit beachten

René Schuster (Umweltgruppe Cottbus) sprach an, dass jede Fortsetzung der Braunkohlegewinnung den Eingriff in die Grundwasserressourcen vergrößere und die zusätzliche Freisetzung von Eisen und Sulfat aus dem Untergrund verursache. Beides wirke weit über den Zeitraum des Kohleabbaus hinaus. Er lenkte zudem den Blick auf häufigere Niedrigwassersituationen der betroffenen Flüsse. Schnellstmöglich müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, die Flüsse darauf anzupassen. Bei der Sanierung von Landschaft und Wasserhaushalt müssten die langfristigen Interessen der Allgemeinheit Priorität haben.

Redaktion beck-aktuell, 17. Juni 2020.